Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Anspruch auf Krankengeld. fehlende Feststellbarkeit von Arbeitsunfähigkeit. Beweislast des Versicherten

 

Orientierungssatz

Die fehlende Feststellbarkeit von Arbeitsunfähigkeit ist letztlich dem insoweit beweispflichtigen Versicherten zuzurechnen. Nach Maßgabe der auch im Sozialrecht anzuwendenden Grundsätze der objektiven Beweislast - die regeln, wen die Folgen treffen, wenn das Gericht trotz Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten eine bestimmte Tatsachte nicht feststellen kann - gilt, dass jeder im Rahmen des anzuwendenden materiellen Rechts die Beweislast für die Tatsachen trägt, die den von ihm geltend gemachten Anspruch begründen.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 24.04.2019; Aktenzeichen B 3 KR 52/18 B)

 

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger über den 02.12.2011 hinaus Anspruch auf Zahlung von Krankengeld (KrG) hat.

Der 1957 geborene Kläger (nach eigenen Angaben geschieden seit 2005/2006) war zuletzt – nach vorheriger Arbeitslosigkeit – erneut seit Juli 2011 als Arbeitnehmer im Bereich Lagerarbeit/Materialwirtschaft gegen Arbeitsentgelt beschäftigt und bei der Beklagten mit Anspruch auf KrG pflichtversichert. Der Arbeitgeber kündigte das Beschäftigungsverhältnis (zunächst mündlich am 17.09.2011 und nachfolgend schriftlich am 19.09.2011) mit Wirkung zum 04.10.2011.

Der den Kläger behandelnde Facharzt für Allgemeinmedizin I. stellte am 19.09.2011 Arbeitsunfähigkeit fest (Diagnose: ICD-10-GM-2011 F 32.9 = Depressive Episode, nicht näher bezeichnet). Daraufhin leistete die Beklagte KrG beginnend ab 05.10.2011.

Die Beklagte holte eine Auskunft des Arztes I. vom 13.10.2011 ein. Dieser gab an, dass der Kläger konservativ mit einem Antidepressivum behandelt werde. Der Zeitpunkt des Wiedereintritts der Arbeitsfähigkeit sei „derzeit nicht“ absehbar. Die Frage, ob es bei der Überwindung der Arbeitsunfähigkeit andere Probleme gebe, beantworte er mit „ja“ und führte dazu Folgendes an: Verlust der Arbeit, Scheidung. Ferner bemerkte der behandelnde Arzt, dass aufgrund der derzeit schweren depressiven Episode keine Tätigkeiten möglich seien.

Nachfolgend erstattete sodann der MDK Niedersachsen ein Gutachten nach ambulanter Untersuchung des Klägers vom 23.11.2011 (Gutachterin: Fachärztin für Allgemeinmedizin/Sozialmedizin J.). Darin ist ausgeführt, dass es im Rahmen der hausärztlichen Behandlung – Gespräche bei Bedarf sowie Johanniskraut 900 mg täglich seit Ende September - zu einer deutlichen Stabilisierung der Stimmungslage gekommen sei. Der Kläger habe inzwischen ein völlig normales Aktivitätsniveau. Hinweise auf eine aktuell vorliegende, erhebliche Arbeitsunfähigkeit begründende Depression fänden sich nicht. Am 12.12.2011 solle ein Termin bei einer Psychotherapeutin stattfinden. Falls hier Therapiebedarf festgestellt werde, könne diese Therapie berufsbegleitend erfolgen. Ausgehend von der Diagnose „leichte reaktive depressive Reaktion nach Kündigung des Arbeitsverhältnisses, inzwischen deutlich gebessert“ und des erhobenen Befundes sei die Arbeitsunfähigkeit medizinisch nicht weiter begründet. Der Versicherte könne seine letzte Tätigkeit als Lagerist in vollem Umfang ausüben. Er könne bis schwere Tätigkeiten vollschichtig in allen Schichtformen durchführen.

Mit Bescheid vom 28.11.2011 stellte die Beklagte fest, dass der Kläger ab 03.12.2011 arbeitsfähig sei. Damit lägen die Voraussetzungen für den Bezug von KrG nicht mehr vor. Sie stellte die Zahlung des Krg zum 02.12.2011 ein.

Dagegen erhob der Kläger am 05.12.2011 Widerspruch. Er legte eine Bescheinigung des behandelnden Arztes I. vom 06.12.2011 vor. Der führte aus, dass der Kläger aufgrund einer schweren depressiven Episode weiterhin arbeitsunfähig sei. Eine medikamentöse Therapie sei bereits begonnen worden. Psychologische Mitbehandlung sei erforderlich. Diese beginne am 13.12.2011 bei der Psychologin K.

Im Rahmen einer Sozialmedizinischen Stellungnahme vom 20.12.2011 führte der MDK Niedersachsen (Dr. L.) u.a. aus, dass notwendige kurative Behandlungsmaßnahmen keine Leistungsminderung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt begründeten. Es falle auf, dass eine schwere Depression vom Hausarzt erst nach der AU-Beendigung durch die Beklagte mitgeteilt worden sei. Medizinische Befunde, die überzeugend für die Diagnose F32.2 (Anm.: Schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome) oder für eine ausgeprägte Leistungsminderung sprechen könnten, seien nach der MDK-Untersuchung nicht vorgelegt worden.

Eine weitere Arbeitsunfähigkeit („in Fortsetzung der vom 02.01.2012 bis 04.01.2012“) stellte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie und Umweltmedizin Dr. M. fest. Er führte aus, dass diese jetzt auch bis zum 11.01.2012 erforderlich sei, wegen der medikamentösen Einstellung und präsuizidaler Ideen (Bescheinigung vom 04.01.2012). Ferner erstattete Dr. M. dem Hau...

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