Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. abschließende Entscheidung nach vorläufiger Leistungsbewilligung. Mitwirkungspflicht. Rechtsfolgenbelehrung. Unvollständigkeit der Nachweise nach Ablauf der gesetzten Frist. Nullfestsetzung. Vorlage von Unterlagen erst im Überprüfungsverfahren. Präklusion
Leitsatz (amtlich)
1. Im Überprüfungsverfahren nach § 44 SGB X vorgelegte Unterlagen zum Nachweis leistungserheblicher Tatsachen sind bei abschließenden Entscheidungen nach § 41a Abs 3 SGB II nicht zu berücksichtigen.
2. Wenn eine abschließende Leistungsfestsetzung nach § 41a Abs 3 S 3 und 4 SGB II im Zeitpunkt ihres Erlasses rechtmäßig gewesen ist, kann ein Überprüfungsantrag nach § 44 SGB X regelmäßig keinen Erfolg haben.
Orientierungssatz
Im Rahmen von § 41a Abs 3 S 3 SGB 2 ist zu verlangen, dass die Rechtsfolgenbelehrung auf den Einzelfall bezogen eindeutig zum Ausdruck bringt, welche konkreten Angaben, Auskünfte und Nachweise bis zu welchem Zeitpunkt erwartet werden; insoweit muss deutlich werden, dass bei Nichterfüllung der Mitwirkungspflichten der Leistungsanspruch abschließend festgesetzt bzw festgestellt wird, dass ganz oder teilweise kein Leistungsanspruch bestanden hat.
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens gegen eine abschließende Leistungsfestsetzung des Beklagten, mit der der Leistungsanspruch der Klägerin nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) im Zeitraum Januar bis Juni 2018 auf 0 € festgesetzt worden ist.
Die J. geborene, alleinstehende Klägerin betreibt als Selbständige seit 2009 ein Bistro. Sie bewohnte im streitigen Zeitraum eine Dreizimmerwohnung in der Heidmarkstraße 9 in Bremen. Zum 1. Mai 2018 zog sie in eine Dreizimmerwohnung in der D... Str. 43 in Bremen.
Im Januar 2018 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II. Sie legte Unterlagen zu vorhandenen Lebensversicherungen (A.) und zu ihrer selbständigen Tätigkeit vor. U.a. machte sie als Betriebsausgaben monatlich 900 € Darlehensverbindlichkeiten geltend, monatlich 700 € zur Rückzahlung eines zum Erwerb des Geschäfts aufgenommenen Kredits i.H.v. 30.000 €, monatlich 200 € zur Rückzahlung eines Kredites zur Anschaffung des beruflich benötigten Kfz.
Mit Bescheiden vom 9. Mai 2018 bzw. 8. Juni 2018 und 22. Juni 2018 bewilligte der Beklagte der Klägerin für den Zeitraum Januar bis April 2018 vorläufig Leistungen nach dem SGB II i.H.v. 505,40 €, für Mai 2018 i.H.v. 311,50 € und für Juni 2018 i.H.v. 361,50 €. Die Vorläufigkeit der Bewilligung begründete er damit, dass die Leistungen im Hinblick auf die gemachten Angaben zum voraussichtlichen Einkommen aus Selbständigkeit zunächst vorläufig festzusetzen seien.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2018 forderte der Beklagte die Klägerin - im Hinblick auf den Weiterbewilligungsantrag ab 1. Juli 2018 - zur Vorlage der Anlage EKS für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2018 auf.
Mit Bescheid vom 16. Oktober 2018 lehnte der Beklagte den Weiterbewilligungsantrag ab 1. Juli 2018 mangels Hilfebedürftigkeit ab.
Mit Schreiben vom 16. Oktober 2018 forderte der Beklagte die Klägerin im Hinblick auf die bisher erfolgte vorläufige Leistungsbewilligung im Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2018 erneut auf, die abschließende EKS für den genannten Zeitraum einschließlich Quittungen und Belege bis zum 2. November 2018 einzureichen. Zugleich wies der Beklagte darauf hin, dass er, sofern die Klägerin der Nachweis- und Auskunftspflicht nicht nachkommen und die erforderlichen Unterlagen nicht vollständig einreichen würde, feststellen müsse, dass kein Leistungsanspruch bestehe, so dass die nur vorläufig bewilligten Leistungen in voller Höhe zu erstatten wären. Die Klägerin teilte daraufhin - im Widerspruch gegen den Bescheid vom 16. Oktober 2018 - u.a. mit, dass die Unterlagen bei dem Buchhalter K. liegen würden, sie werde die Unterlagen einreichen, wenn dieser die Gewinnermittlung erstellt habe. Nachdem in der Zwischenzeit keine Unterlagen eingegangen waren, forderte der Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 7. Januar 2019 unter Fristsetzung bis 24. Januar 2019 erneut auf, die abschließende EKS für den Zeitraum 1. Januar bis 30. Juni 2018 einschließlich Quittungen und Belege vorzulegen, da diese für die endgültige Festsetzung der Leistungen nach dem SGB II im genannten Zeitraum benötigt würden. Zugleich wies der Beklagte erneut auf die Rechtsfolgen im Falle der Verletzung der Nachweis- und Auskunftspflicht hin. Die Klägerin legte auch in der Folge die angeforderten Unterlagen nicht vor. Mit Schreiben vom 14. März 2019 wiederholte der Beklagte die Aufforderung zur Vorlage der hinsichtlich des Zeitraums 1. Januar bis 30. Juni 2018 benötigten Unterlagen unter Fristsetzung bis 31. März 2019 und wies erneut auf die Rechtsfolgen einer Untätigkeit hin.
Mit Bescheid vom 10. April 2019 stellte der Beklagte fest, dass in dem Zeitraum 1. Januar ...