Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. abschließende Entscheidung nach vorläufiger Bewilligung. Nullfestsetzung. angemessene Fristsetzung für den Nachweis leistungserheblicher Tatsachen
Leitsatz (amtlich)
1. Welche Frist im Sinne von § 41a Abs 3 S 3 SGB II angemessen ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach dem Umfang der nachzuweisenden Tatsachen.
2. Bei Selbständigen erscheint in Anlehnung an die bis zum 31. Juli 2016 geltende entsprechende Frist in § 3 Abs 6 Alg II-V (juris: AlgIIV 2008) eine Zeitspanne von zwei Monaten zum Nachweis von Einkommen grundsätzlich als angemessen.
3. Eine Mindestfrist von zwei Monaten ist schon deshalb zu verneinen, weil der Gesetzgeber gerade keine starre Frist vorgesehen hat.
4. Eine Fristsetzung wird nicht schon dadurch hinfällig, dass das Jobcenter nach dem Ablauf der gesetzten Frist zunächst keine abschließende Festsetzung vorgenommen hat. Denn es ist dem Jobcenter möglich, auf einen Fristverlängerungsantrag oder andere Umstände, die eine Fristverlängerung im Einzelfall als geboten erscheinen lassen, zu reagieren.
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 20. November 2020 aufgehoben und die Klagen werden abgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten im Überprüfungsverfahren nach § 44 des Sozialgesetzbuches Zehntes Buch- Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) über die endgültige Festsetzung von für den Zeitraum von Januar 2018 bis Juni 2018 vorläufig bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II). In diesem Zusammenhang ist auch streitig, ob die Klägerin zu 2 vorläufig bewilligte Leistungen für Bildung und Teilhabe zu erstatten hat.
Die Klägerin zu 1 ist die Mutter der 2003 geborenen Klägerin zu 2, des 2004 geborenen Klägers zu 3, des 2010 geborenen Klägers zu 4 sowie des 2015 geborenen Klägers zu 5.
Die Kläger lebten zusammen mit dem Ehemann der Klägerin zu 1 und Vater der Kläger zu 4 und 5, W.... (Im Folgenden: W.), als Bedarfsgemeinschaft in A.....
Die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft standen seit längerem im Leistungsbezug bei dem Beklagten. Zum 12. September 2017 nahm W. eine selbstständige Tätigkeit auf und betrieb die P.... Cocktail-Bar in B.....
Am 28. November 2017 stellte die Klägerin zu 1 für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft einen Weiterbewilligungsantrag für den Zeitraum ab dem 1. Januar 2018. Am 19. Januar 2018 reichte W. die Anlage EKS (zur vorläufigen oder abschließenden Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Forstwirtschaft im Bewilligungszeitraum) mit vorläufiger Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit ein und machte Angaben zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit wiederum unter Mithilfe der Buchhalterin N..... Für die Monate Januar bis Juni 2018 ergab sich jeweils ein "negativer" Gewinn.
Mit Bescheid vom 25. Januar 2018 bewilligte der Beklagte den Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft vorläufig Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit einem monatlichen Gesamtbetrag für Januar 2018 in Höhe von 1.081,23 EUR und für Februar 2018 bis Juni 2018 in Höhe von jeweils 1.084,56 EUR. Dabei berücksichtigte er als Einkommen aus Erwerbstätigkeit des W. einen Betrag in Höhe von monatlich 745,17 EUR, den er nach Abzug eines Freibetrags mit einem Betrag von 516,14 EUR bedarfsmindernd berücksichtigte. Die Entscheidung über die vorläufige Bewilligung beruhe auf § 41a Abs. 1 SGB II. Die Einnahmen und Ausgaben aus selbstständiger Tätigkeit seien aufgrund der Angaben von W. zum voraussichtlichen Einkommen zunächst vorläufig festgesetzt worden. Dabei sei teilweise von den Angaben von W. abgewichen worden. Nach Ablauf des vorläufigen Bewilligungszeitraums bestehe die Verpflichtung, die tatsächlichen Einnahmen und Ausgaben im Bewilligungszeitraum nachzuweisen und alle weiteren leistungserheblichen Tatsachen mitzuteilen. Dies sei erforderlich, um den Leistungsanspruch mit Bescheid für den gesamten Bewilligungszeitraum abschließend festzusetzen. Die Bedarfsgemeinschaft, bzw. W., werde daher gebeten, den Vordruck "Anlage zur vorläufigen und abschließenden Erklärung zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit, Gewerbebetrieb oder Land- und Fortwirtschaft im Bewilligungszeitraum" zu verwenden und Angaben zum abgelaufenen Bewilligungszeitraum zu machen. Der ausgefüllte Vordruck mit den entsprechenden Nachweisen über die Ausgaben und Einnahmen sei unverzüglich nach Ende des Bewilligungszeitraums einzureichen. Auf den Inhalt des Bescheides im Übrigen wird Bezug genommen (Blatt 115 Leistungsakte).
Mit Änderungsbescheid vom 31. Januar 2018 bewilligte der Beklagte für Januar 2018 weiterhin vorläufig nunmehr einen Gesamtbetrag für Januar 2018 in Höhe von 1.861,11 EUR und berücksichtigte dabe...