Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassung der Bildung einer Widerspruchsstelle
Normenkette
SGG § 78 Abs. 1 S. 1; GG Art. 19 Abs. 4; SGB V § 106 Abs. 4 S. 1; SGG § 88 Abs. 2; GG Art. 74 Nr. 1
Tenor
Die Berufungen werden zurückgewiesen.
Der Beklagte und die Beigeladene zu 1) haben den Klägern die Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im Übrigen findet eine Kostenerstattung nicht statt.
Tatbestand
Streitig ist, ob der Beklagte zu Recht einen Mängelanspruch gegen die Kläger festgesetzt hat.
Die zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassenen Kläger betreiben in [.] eine Gemeinschaftspraxis. Am 22. Mai 1996 gliederten sie dem bei der Beigeladenen zu 1) Versicherten [... ] Teleskopkronen und eine Modellgussprothese im Oberkiefer ein. Nach Angaben des Versicherten stellten sich unmittelbar nach Eingliederung der Prothese Beschwerden ein, die 13 Nachbehandlungen erforderlich machten. Im Mai 1997 holte die Beigeladene zu 1) auf Vorschlag der Kläger und des Versicherten ein Gutachten über die prothetische Versorgung ein. Der Gutachter [... ] kam zu folgendem Ergebnis: Der Röntgenbefund spreche für die durchgeführte Versorgung, die zahntechnische Arbeit an sich gebe keinen Anlass zur Beanstandung. Allerdings liege eine Bisserhöhung gegenüber der entspannten Ruhebisslage sowie der vom Patienten vorgelegten alten Konstruktion vor. Zusammen mit dem Verlust der Stützzone links (die UK-Brücke sei dort zwischenzeitlich entfernt worden) seien die Beschwerden wahrscheinlich auf eine Überlastung der Frontzähne zurückzuführen (Gutachten vom 13. Juni 1997). Am 15. September 1997 wurde der Versicherte [.] erneut von den Klägern behandelt. Eine Beschwerdefreiheit wurde auch dieses Mal nicht erreicht. Im Anschluss daran lehnte der Versicherte eine weitere Behandlung durch die Kläger ab. Die Kläger lehnten ihrerseits ebenfalls eine weitere Behandlung des Versicherten ab. Die Beigeladene zu 1) bat daraufhin mit Schreiben vom 24. November 1997 den Beklagten um Beurteilung. Dieser ließ nach Anhörung der Kläger eine Kontrolluntersuchung durch den Zahnarzt [... ] vornehmen. Der Gutachter stellte fest, dass die Bisshöhe nicht korrekt sei; es bestehe keine Ruheschwebe/-Schlussbissdifferenz. Bei Artikulationsbewegungen beiderseits werde die Prothese abgehebelt. Zudem liege ein Unterfütterungsbedarf vor. Die Unterkieferschneidezähne seien lingual mit Kunststofffüllungen verblockt. Ein Zusammenhang zwischen der Überlastung durch die vorgenommene Bisserhöhung und den Verlust der Brücke im dritten Quadranten könne objektiv nicht nachvollzogen werden (Gutachten vom 18. Februar 1998). Mit Beschluss vom 29. April 1998 gab der Beklagte dem Mängelanspruch statt, da erhebliche Mängel in der Ausführung der Oberkieferprothese erkennbar seien. Eine Nachbesserung sei in der jetzigen Situation nicht mehr möglich. Der Beschluss enthält die Rechtsbehelfsbelehrung, dass gegen ihn die Klage zulässig sei.
Eine Widerspruchsinstanz in Angelegenheiten des Prothetik-Einigungsausschusses (PEA) existiert in Niedersachsen bisher nicht.
Gegen den ihnen mit Schreiben vom 11. Mai 1998 übersandten Beschluss haben die Kläger am 08. Juni 1998 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben und zu deren Begründung im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Der Termin der Kontrolluntersuchung sei entgegen § 5 Abs 3 der Verfahrensordnung des Beklagten nicht im Benehmen mit ihnen festgesetzt worden. Zudem sei ihnen entgegen § 5 Abs 4 der Verfahrensordnung des Beklagten nicht eröffnet worden, wo sich ihr Patient der Kontrolluntersuchung unterziehen müsse. Ihnen sei damit ihr Recht, an der Kontrolluntersuchung teilzunehmen, vorenthalten worden. Außerdem habe der in § 4 der Verfahrensordnung des Beklagten vorgesehene Einigungsversuch nicht stattgefunden. Zudem habe weder der Gutachter noch der Beklagte ihnen einen Behandlungsfehler nachgewiesen; es seien nur Mutmaßungen angestellt worden.
Die zunächst auch gegen die Kassenzahnärztliche Vereinigung Niedersachsen - jetzige Beigeladene zu 3) -erhobene Klage haben die Kläger zwischenzeitlich zurückgenommen.
Der Beklagte hat die Ansicht vertreten, sein Beschluss sei in der Sache zutreffend. Die von den Klägern geltend gemachten Verfahrensfehler führten allein nicht zu einem anderen Ergebnis. Gern § 42 Zehntes Sozialgesetzbuch (SGB X) könne die Aufhebung eines Verwaltungsaktes allein aus formellen Gründen nicht verlangt werden, wenn in der Sache eine andere Entscheidung nicht hätte ergehen können. Diese Voraussetzung sei hier bei der Eindeutigkeit des Gutachtens [.] gegeben.
Das SG hat mit Urteil vom 17. Februar 1999 unter Zulassung der Berufung den Beschluss des Beklagten vom 29. April 1998 aufgehoben. Zur Begründung seiner Entscheidung hat das Gericht im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Die Klage sei trotz § 78 Abs l Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne Durchführung des Vorverfahrens zulässig. Dies ergebe sich aus Art 19 Abs 4 Grundgesetz (GG). Sie sei zudem begründet. Der angefochtene Bescheid des Beklagten sei aufzuheben, da...