Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenzahnärztliche Vereinigung. Degressionsregelung. vorläufige Feststellung über Höhe der zu degressierenden Punktmengen. Bestimmtheit eines Degressionsbescheides
Orientierungssatz
1. § 85 Abs 4b SGB 5 kann nicht dahingehend interpretiert werden, dass eine Kassenzahnärztliche Vereinigung auch zu nur "vorläufigen" Feststellungen über die Höhe der zu degressierenden Punktmengen ermächtigt werden soll.
2. Die zur Wahrung des Bestimmtheitsgebotes erforderliche Bezugnahme auf konkrete Lebenssachverhalte setzt voraus, dass in einem Degressionsbescheid zunächst klargestellt wird, für welches Quartal der Honoraranspruch des Vertragszahnarztes gemindert wird. Darüber hinaus ist es unerlässlich, dass zugleich die Höhe des verbleibenden Honoraranspruches mitgeteilt wird und dessen Berechnung entweder in dem Bescheid selbst zumindest in groben Zügen erläutert wird oder durch die klare Bezugnahme auf einen anderweitig erlassenen Bescheid nachvollziehbar gemacht wird.
Nachgehend
Tatbestand
Der klagende Zahnarzt wendet sich gegen die Festsetzung einer zu degressierenden Punktmenge und eines daraus resultierenden vorläufigen Degressionsbetrages nach § 85 Abs 4 b Sozialgesetzbuch Buch V Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V, hier in der Fassung des Gesetzes vom 21.12.1992 BGBl I S. 2266) für das Abrechnungsjahr 1996.
Unter dem 15. April 1997 erließ die Beklagte einen "Bescheid nach erfolgter Endabrechnung zur Gesamtvergütung über die vorläufige Degressionsberechnung 1996 gemäß § 85 Abs 4 b SGB V". In diesem ermittelte sie für den Kläger für das Jahr 1996 eine Punktmenge von 414.702, die den für ihn (unter Berücksichtigung eines während zwei Monate beschäftigten Ausbildungsassistenten) maßgeblichen Grenzwert von 364.583 um eine zu degressierende Punktmenge von 50.119 überschritt.
Weiter hieß es in dem Bescheid:
"Daraus resultiert ein vorläufiger Degressionsbetrag in Höhe von 15.138,77 DM, der mit der monatlichen Zahlung März 1997 ... einbehalten wird. .... Der endgültige Degressionsbescheid wird zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Sie können nunmehr den aufgrund seiner Vorläufigkeit erstellten Bescheid bestandskräftig werden lassen, ohne dabei endgültig auf Ihre Rechte verzichten zu müssen, da wie bereits dargelegt eine endgültige Bescheidung noch ansteht."
Den hiergegen vom Kläger mit Schreiben vom 24. April 1997 eingelegten und bei der Beklagten 5 Tage später eingegangenen Widerspruch wies die Beklagte mit Bescheid vom 5. Mai 1997 zurück. In diesem Widerspruchsbescheid hob die Beklagte noch einmal hervor, dass es sich bei der Degressionsberechnung vom 15. April 1997 nur um einen "vorläufigen Bescheid" für das Jahr 1996 gehandelt habe. Ausdrücklich teilte sie noch einmal mit: "Aus diesem Grund kann Ihr Mandant diesen aufgrund seiner Vorläufigkeit unvollständigen Bescheid rechtskräftig werden lassen, ohne dabei endgültig auf seine Rechte verzichten zu müssen."
Die hiergegen vom Kläger am 23. Mai 1997 erhobene Klage wies das Sozialgericht mit Urteil vom 19. Mai 1999, dem Kläger am 9. September 1999 zugestellt, ab. Zur Begründung erläuterte das Sozialgericht, dass die Degressionsregelung des § 85 Abs 4 b und Abs 4 e SGB V von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden sei. Auch die Umsetzung der gesetzlichen Vorgaben durch die Beklagte verletze den Kläger nicht in seinen Rechten.
Zur Begründung seiner am 11. Oktober 1999, einem Montag, eingelegten Berufung machte der Kläger weiterhin geltend, dass die gesetzliche Regelung in § 85 Abs 4 b und Abs 4 e SGB V die verfassungsrechtlichen Vorgaben missachte. Jedenfalls sei aber die Umsetzung der gesetzlichen Degressionsregelung durch die Beklagte zu beanstanden. Insbesondere habe diese unrichtigerweise auch die Eigenanteile der Patienten bei zahnprothetischen und kieferorthopädischen Leistungen in die Berechnung der zu degressierenden Punktmenge mit einbezogen.
Der Kläger beantragt,
1. das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 19. Mai 1999 und den Bescheid der Beklagten vom 15. April 1997 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 5. Mai 1997 aufzuheben,
2. den auf den vorläufigen Degressionsbescheid vom 15. April 1997 folgenden Honorarbescheid der Beklagten für das I. Quartal 1997 insoweit aufzuheben, als darin ein Abzugsposten von 15.138,77 DM festgestellt ist,
3. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 15.138,77 DM zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen;
hilfsweise erhebt sie Widerklage gegen die im Schriftsatz vom 5. September 2000 gegen die zu Ziffer 1. bis 16. benannten Krankenkassen mit den Anträgen, die zu Ziffer 1. bis 16. im Einzelnen genannt sind.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und hebt namentlich hervor, dass sie entgegen dem klägerischen Vortrag die Eigenanteile der Versicherten bei prothetischen und kieferorthopädischen Leistungen nicht mit in die Berechnung der zu degressierenden Punktmenge einbezogen habe. Es bestünden auch...