Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflegeversicherung. Ermittlung. Hilfebedarf. Pflegestufe III. vollstationäre Pflege
Orientierungssatz
Zur Ermittlung des Hilfebedarfs (hier: Pflegestufe III) bei einem Pflegebedürftigen, der in einer vollstationären Einrichtung untergebracht ist.
Tatbestand
Der Rechtsstreit betrifft die Gewährung von Leistungen bei vollstationärer Pflege nach Pflegestufe III.
Der 1938 geborene Kläger erlitt in den Jahren 1984 und 1985 einen rechts- bzw. linksseitigen Apoplex. Seit Juli 1992 lebt er in vollstationärer Pflege im Dr. med. E W Pflegeheim in H. Im März 1996 stellte sein Betreuer einen Antrag auf die Gewährung von Leistungen bei vollstationärer Pflege bei der Beklagten. Diese veranlaßte eine Begutachtung durch den MDKN. Pflegefachkraft M nannte in seinem Gutachten vom 6. Mai 1996 als pflegebegründende Diagnosen einen Zustand nach zweimaligem Apoplex (1984 links, 1985 rechts), ein cerebrales Anfallsleiden, eine globale Aphasie, Verwirrtheitszustände, eine Demenz, schwere Einschränkungen des Stütz- und Bewegungsapparates und eine Harninkontinenz. Die Aktivitäten des täglichen Lebens könne er weitgehend nur noch unselbständig wahrnehmen. Zum Hilfebedarf hieß es in dem Gutachten, daß der Kläger bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens der Hilfe bedürfe, bis auf die Nahrungsaufnahme, das Stehen, das Treppensteigen und das Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung. Für die Körperpflege seien täglich 100 Minuten aufzuwenden, wobei wegen der vollständigen Harninkontinenz 11 mal täglich Toilettengänge zu absolvieren seien. Für die Hilfe bei der mundgerechten Zubereitung der Nahrung würden insgesamt 20 Minuten aufgewendet. 4 mal täglich seien Hilfen beim Aufstehen/Zubettgehen, 2 mal täglich beim An-/Auskleiden und 3 mal täglich Hilfen beim Gehen zu den Mahlzeiten erforderlich, insgesamt ergebe sich für den Bereich der Mobilität ein Hilfebedarf von 60 Minuten täglich. Die hauswirtschaftliche Versorgung müsse komplett übernommen werden. Im Bereich der Grundpflege ergebe sich bei dem Kläger ein Hilfebedarf von 180 Minuten, mithin im Umfang der Pflegestufe II.
Die Beklagte bewilligte mit Bescheid vom 25. Juni 1996 Leistungen bei vollstationärer Pflege nach Pflegestufe II in Höhe von 2.000,-- DM monatlich. Den Widerspruch des Klägers, den er damit begründete, in seinem Fall sei die Pflegestufe III angemessen, wies sie mit Bescheid vom 28. August 1996 unter Berücksichtigung einer Stellungnahme des MDKN (Dres. F und K) vom 24. Juli 1996, wonach sich aus den Einwendungen des Klägers keine neuen Gesichtspunkte im Hinblick auf den Pflegebedarf ergäben, zurück.
Im nachfolgenden Klageverfahren, in dem er die Gewährung von Leistungen nach Maßgabe der Pflegestufe III begehrt hat, hat der Kläger einen Entwicklungsbericht seines Pflegeheimes vom 4. Februar 1997 vorgelegt und geltend gemacht, die Beklagte sei bei der Ermittlung seines Pflegebedarfs zu Unrecht von dem Maßstab der häuslichen, ambulanten Pflege ausgegangen. Schon die Einbeziehung der sozialen Betreuung in den Leistungsbereich bei vollstationärer Pflege im Unterschied zur ambulanten Pflege lege nahe, von unterschiedlichen Maßstäben auch im Bereich des Hilfebedarfs auszugehen. Das SG Hannover hat die Klage durch Urteil vom 23. Juni 1998 abgewiesen und in der Begründung darauf abgestellt, daß die sogenannten tagesstrukturierenden Maßnahmen bei psychisch Behinderten ohne konkreten Verrichtungsbezug beim Pflegebedarf nicht berücksichtigt werden könnten. Die Schätzungen des Gutachters M seien unter Heranziehung der Orientierungswerte in den Begutachtungs-Richtlinien (Pflege) vom Juni 1997 nachvollziehbar. Demnach läge Hilfebedarf im Umfang der Pflegestufe III nicht vor
Gegen dieses seinem Bevollmächtigten am 7. August 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 21. August 1998 rechtzeitig Berufung eingelegt und macht geltend, daß bei der Ermittlung des Hilfebedarfs bei vollstationärer Pflege nicht eine verrichtungsbezogene, sondern eine verrichtungsorientierte Auslegung erforderlich sei. Die Einbeziehung der sozialen Betreuung in den Leistungsbereich lege es nahe, dies auch für den Hilfebedarf vorzusehen. Dem vorgelegten Entwicklungsbericht seines Heimes vom 4. Februar 1998 könne im übrigen entnommen werden, daß auch unter Außerachtlassung der sozialen Betreuung allein im Bereich der Grundpflege täglich ein Zeitaufwand von 265 Minuten erreicht werde und auch jede Nacht Hilfebedarf anfalle.
Der Kläger beantragt,
|
1. |
das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 23. Juni 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. August 1998 zu ändern, |
|
2. |
die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Leistungen bei vollstationärer Pflege nach Maßgabe der Pflegestufe III unter Anrechnung bereits erbrachter Leistungen nach Pflegestufe II ab 1. Juli 1996 zu zahlen. |
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das erstinstanzliche Urteil und die angefochtenen Bescheide.
Der Senat hat zur weiteren Aufklärung...