Entscheidungsstichwort (Thema)
ehemalige DDR. Übergangsrecht. Unfallversicherung. Lärmschwerhörigkeit ("BK 50")
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beurteilung von Versicherungsfällen, die ihren Anknüpfungspunkt im Beitrittsgebiet haben und die vor dem 1.1.1992 eingetreten sind, richtet sich nach dem Recht der ehemaligen DDR. Versicherungsfälle vor diesem Zeitpunkt, die nach dem Recht des Beitrittsgebiets nicht zu entschädigen waren, können auch nach diesem Zeitpunkt nicht entschädigt werden, selbst wenn sie nach dem Recht der RVO bzw SGB 7 entschädigungspflichtig sind.
2. Zu den Anforderungen an die Anerkennung einer Lärmschwerhörigkeit als BK Nr 50 nach dem Recht der ehemaligen DDR.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Zahlung von Verletztenrente. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob er an einer wahrscheinlich wesentlich beruflich verursachten Lärmschwerhörigkeit (Berufskrankheit - BK - Nr. 50 der Anlage - Anl. - zur 1. Durchführungsbestimmung zur Verordnung über die Verhütung, Meldung und Begutachtung von BKen der ehemaligen DDR vom 21. April 1981 - GBl I Nr. 12 S. 139, „BK 50”: BK Nr. 2301 der Anl. zur Berufskrankheiten-Verordnung - BKV) leidet.
Nach der Ausbildung zum Facharbeiter für Papierweiterverarbeitung war der 1961 geborene Kläger bis Ende des Monats März 1993 als Offsetdrucker in der Buchdruckerei H., I. tätig. Seit August 1993 arbeitet er als Offsetdrucker in der Druckerei J. Seit dem Jahr 1988 war der Kläger wegen einer beidseitigen Hörstörung in ärztlicher Behandlung (vgl. den Befundbericht des Dr. K. vom 6. März 1995). Im Januar 1995 erstatteten die Fachärzte für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde L. die Ärztliche Anzeige über eine BK: Es liege eine Innenohrschwerhörigkeit im Sinne einer Lärmschwerhörigkeit beidseits vor. Im Fragebogen vom 20. Januar 1995 gab der Kläger an, bis Mai 1990 Kontakt mit der Schneidemaschine „Perfecta”, der Buchdruckmaschine „Tiegel” und den Offsetmaschinen „Dominant 512 und 715” gehabt zu haben. Seit Juni 1990 habe Kontakt zu der Offsetmaschine „Dominant 715” sowie zu den Maschinen „Zweifarben-GTO”, „Einfarben-GTO” und „TOK” bestanden. Seit August 1993 arbeite er in der Druckerei M. an der Offsetmaschine „Einfarben-GTO” und an der Schneidemaschine „Polar EM 76”. Die Beklagte zog medizinische Unterlagen und den Bericht der Arbeitshygieneinspektion (AHI) des Rates des Kreises N. über eine messtechnische Überprüfung der Lärmsituation am Arbeitsplatz des Klägers vom 25. April 1990 bei. Danach wurde der Grenzwert von 85 dB (A) nicht erreicht. Anschließend erstattete der Technische Aufsichtsbeamte O. die schallmesstechnischen Gutachten vom 4. Oktober 1995. In ihnen gelangte er zu dem Ergebnis, dass der Kläger beruflich einer gehörschädigenden Lärmeinwirkung bis 1979 ausgesetzt gewesen sei. Danach habe der Beurteilungspegel unter 85 dB (A) gelegen. Nach weiteren Ermittlungen berichtigte er seine Berechnungen und gelangte im schallmesstechnischen Gutachten vom 4. November 1996 zu dem Ergebnis, dass der Beurteilungspegel bis 1979 bei 87 dB, von 1979 bis 1985 bei 86 dB, von 1985 bis 1990 bei 85 dB und von 1990 bis 1993 bei 83 dB (A) gelegen habe. Anschließend erstattete Dr. P. das hals-nasen-ohrenärztliche Gutachten zur Frage der beruflichen Lärmschwerhörigkeit vom 10. März 1997. Dr. P. ermittelte aus dem Sprachaudiogramm einen Hörverlust von 40% rechts sowie 20% links und führte aus, es handele sich um einen cochleären Schaden bei einem ausgesprochen sensibilisierten Innenohr. Denn die Dauer der extensiven Lärmeinwirkung lasse eine solch ausgeprägte Innenohrstörung nicht entstehen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) schätzte er auf 15 vom Hundert (vH). Mit Bescheid vom 26. Juni 1997 lehnte die Beklagte die Anerkennung einer BK 50 ab. Zur Begründung führte sie aus, Voraussetzung für eine Anerkennung sei, dass durch die berufliche Tätigkeit eine Schwerhörigkeit mit sozialer Bedeutung, d.h. eine Schwerhörigkeit, die eine MdE um mindestens 20 vH bedinge, verursacht worden sei. Diese Voraussetzung liege nicht vor. In der Begründung seines Widerspruchs führte der Kläger aus, bis 1993 gehörschädigendem Lärm ausgesetzt gewesen zu sein. Denn bis zu dieser Zeit habe er an den gleichen Maschinen gearbeitet. Deshalb müssten die bundesdeutschen Bestimmungen gelten. Der Technische Aufsichtsbeamte O. hielt an seiner Beurteilung der beruflichen Lärmbelastung des Klägers fest (schallmesstechnisches Gutachten vom 22. August 1997). Die Beklagte zog medizinische Unterlagen des Versorgungsamts Q. bei und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 15. Oktober 1997 zurück. Zur Begründung führte sie aus, entscheidend für die Anwendung des Rechts der ehemaligen DDR sei der Zeitpunkt eines eventuellen Versicherungsfalles. Liege dieser vor dem 1. Januar 1992, sei das Recht der ehemaligen DDR weiter anzuwenden. Nach den Feststellungen ihres Technischen Aufsichtsdienstes (TAD) sei der Kläger lediglich bis 1990 gehörschädigendem Lärm von mindestens 85...