Rechtskraft: nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kostenerstattung – zahnärztliche Behandlung – Vertragszahnarzt – nicht zugelassener Zahnarzt – freie Arztwahl – Europarecht – Warenverkehrsfreiheit – Dienstleistungsfreiheit –. Kostenerstattung für zahnärztliche Leistungen durch einen Nichtvertragszahnarzt
Leitsatz (amtlich)
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats setzt der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V grundsätzlich voraus, dass die Versicherte vor der Inanspruchnahme einer Leistung außerhalb des vertragsärztlichen Systems einen Leistungsantrag bei ihrer Krankenkasse gestellt hat (so schon LSG Niedersachsen, Urteil vom 17.1.1996 – L 4 Kr 179/94).
2. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 2. Alternative SGB V scheidet für Leistungen aus, die ein nicht an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligter (Zahn)Arzt erbracht hat und die in gleicher Weise auch vertragsärztlich hätten erbracht werden können.
3. Die in der Europäischen Union geltenden Grundsätze der Warenverkehrs- und der Dienstleistungsfreiheit werden durch die grundsätzliche Beschränkung der Arztwahlfreiheit der Versicherten auf (Zahn)Ärzte, die an der vertragsärztlichen Versorgung beteiligt sind, nicht verletzt (so auch: LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 23.2.1999 – L 4 KR 2607/98 –).
Normenkette
SGB V § 13 Abs. 3, § 28 Abs. 2, § 76 Abs. 1
Beteiligte
Verfahrensgang
SG Oldenburg (Entscheidung vom 05.04.2000; Aktenzeichen S 6 KR 110/99) |
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung für zahnärztliche Leistungen durch den Nichtvertragszahnarzt D., Oldenburg.
Die Klägerin ließ bei dem nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Zahnarzt D. im Juli und August 1997 eine umfangreiche Zahnbehandlung durchführen. Die Rechnungen des Zahnarztes über die zahnärztlichen Leistungen einschließlich Laborleistungen in Höhe von 4.359,60 DM vom 27. August 1997 und vom 1. September 1997 reichte die Klägerin mit der Bitte um Kostenerstattung am 6. Oktober 1997 bei der Beklagten ein. Die Beklagte lehnte eine Kostenübernahme mit Bescheid vom 8. Oktober 1997 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) ab, da es ihr nicht gestattet sei, eine Vergütung auf Rechnungen von Nichtvertragszahnärzten vorzunehmen. Mit Schreiben vom 28. September 1998 beantragte die Klägerin erneut die Kostenerstattung für zahnärztliche Leistungen. Sie legte drei Liquidationen ihres Zahnarztes vor. Die Beklagte lehnte den Antrag erneut mit Bescheid vom 30. September 1998 ab, da die Klägerin den Nichtvertragszahnarzt D. in Anspruch genommen habe. Die Beklagte verwies auf ihr Schreiben vom 8. Oktober 1997.
Gegen diese Bescheide erhob die Klägerin am 1. Oktober 1998 Widerspruch. Die Entscheidung der Beklagten sei rechtswidrig. Zwar bestehe nach § 76 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V – für die Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung freie Arztwahl unter den zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassenen Ärzten. Die Inanspruchnahme anderer Ärzte sei nur für den Notfall vorgesehen. Diese Beschränkung der freien Arztwahl auf Vertragsärzte sei jedoch rechtswidrig. Das folge aus einschlägigen Urteilen des Europäischen Gerichtshofes, wonach sich jeder EU-Patient (zahn-)ärztlich in jedem Land der Europäischen Union (EU) behandeln lassen könne und jede Krankenkasse die Kosten nach den Gebühren des Landes, dem der Patient angehöre, zu erstatten habe. Die Widerspruchsstelle der Beklagten wies den Widerspruch der Klägerin mit Bescheid vom 11. Juni 1999 zurück: Für die ausweislich der Rechnungen vom 27. August und 1. September 1997 entstandenen Behandlungskosten in Höhe von 4.359,60 DM könne eine Kostenübernahme nicht erfolgen. Eine Kostenerstattung komme für freiwillige als auch für pflichtversicherte Mitglieder nur bei der Inanspruchnahme von zugelassenen Ärzten/Zahnärzten in Betracht. Dies werde durch die höchstrichterliche Rechtsprechung (Urteil des Bundessozialgerichts – BSG – vom 10. Mai 1995 – 1 RK 14/94 –) bestätigt. Auch in Ansehung der EuGH-Rechtsprechung vom 28. April 1998 ergebe sich keine andere Beurteilung. Denn die nationale Regelung des § 76 SGB V, wonach bei Inlandsbehandlungen ein Erstattungsanspruch nur bei Inanspruchnahme von Vertragsbehandlern gegeben sei, werde durch die EuGH-Urteile nicht aufgehoben.
Die Klägerin hat am 14. Juli 1999 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Oldenburg erhoben. Sie wiederholt ihr Vorbringen aus dem Widerspruchsverfahren, wonach die Beschränkung der freien Arztwahl auf Vertragsärzte rechtswidrig sei, da sie gegen höherrangiges EU-Recht verstoße. Zu den elementaren Grundsätzen des EU-Rechtes gehöre der Grundsatz des freien Dienstleistungsverkehrs. Dieser sei nach der Rechtsprechung des EuGH im Bereich der sozialen Sicherheit anwendbar (EuGH, Urteil vom 28. April 1998 – Rs. C-158/96). Damit sei festgestellt, dass die freie Arztwahl oberste Priorität habe. Versicherten der gesetzlichen ...