Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Familienversicherung. landwirtschaftliche Unternehmerin
Leitsatz (amtlich)
Zum Anspruch auf Familienhilfe einer von der Versicherungspflicht befreiten landwirtschaftlichen Unternehmerin nach Aufgabe des Betriebes.
Tatbestand
Streitig ist die Beurteilung der Familienversicherung der Klägerin in der Landwirtschaftlichen Krankenversicherung.
Die 1937 geborene Klägerin war früher selbständige landwirtschaftliche Unternehmerin. Sie hatte einen Versicherungsvertrag mit einem privaten Krankenversicherungsunternehmen abgeschlossen und sich deshalb mit Wirkung ab 1. Oktober 1972 von der Versicherungspflicht gemäß § 94 des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Rechts der Gesetzlichen Krankenversicherung (Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte - KVLG -) vom 10. August 1972 (BGBl I Seite 1433) - KVLG a.F. - befreien lassen.
Im April 1975 heiratete die Klägerin den Landwirt H F, der bei der Beklagten pflichtversichert ist. Ihren eigenen landwirtschaftlichen Betrieb gab sie auf. Außerdem kündigte sie ihren privaten Versicherungsvertrag. Aus der Mitgliedschaft des H F gewährte die Beklagte Leistungen der Familienversicherung an die Klägerin. Mit Bescheid vom 11. Juli 1994 teilte sie der Klägerin mit, dass nach Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes (GRG) ab 1. Januar 1989 für sie grundsätzlich kein Anspruch auf eine Familienversicherung bestehe, da sie seinerzeit von der Versicherungspflicht befreit worden sei und dies dem Anspruch auf Familienversicherung entgegenstehe. Somit ende der Anspruch auf Familienversicherung mit dem 14. Juli 1994. Es bestehe ab 15. Juli 1994 die Möglichkeit der freiwilligen Mitgliedschaft bei der Beklagten.
Die Klägerin legte gegen diesen Bescheid Widerspruch ein. Zur Begründung trug sie vor, ihre Unternehmereigenschaft habe im Jahre 1975 geendet. Seit diesem Zeitpunkt habe ihr die Beklagte Anspruch auf Familienversicherung in der Krankenversicherung gewährt. Darüber hinaus habe sie 1975 ihre private Krankenversicherung bei der Landvolk-Krankenkasse Oldenburg gekündigt, wodurch eine weitere Voraussetzung des Befreiungstatbestandes entfallen sei. Der Ansicht der Beklagten, dass nach Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes die bestehende Familienversicherung ausgeschlossen sei, könne nicht gefolgt werden, denn die Befreiung von der Versicherungspflicht habe bei Inkrafttreten des GRG nicht mehr vorgelegen. Die Beklagte hat den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 4. April 1995 zurückgewiesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 27. April 1995 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hannover erhoben. Sie wiederholt ihren Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren und teilte auf Anfrage des Gerichts mit, sie habe ihre Unternehmereigenschaft im April 1975 beendet, und zwar durch Verpachtung des Betriebes.
Das SG hat der Klage mit Urteil vom 10. September 1997 stattgegeben. Es hat festgestellt, dass die Klägerin auch über den 14. Juli 1994 hinaus bei der Beklagten familienversichert ist und die Beklagte dem Grunde nach verurteilt, der Klägerin die von ihr gezahlten freiwilligen Beiträge zur Krankenversicherung zu erstatten. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die im Falle der Klägerin ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht stehe dem Anspruch auf Familienversicherung gemäß § 7 Abs 1 Satz 1 des Zweiten Gesetzes über die Krankenversicherung der Landwirte vom 20. Dezember 1988 (KVLG 1989) iVm § 10 Abs 1 Nr 3 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Krankenversicherung - SGB V - nicht entgegen. Eine Befreiung von der Versicherungspflicht setze schon begrifflich voraus, dass an sich ein die Versicherungspflicht begründender Tatbestand vorliege, die betroffene Person sich hiervon aber auf Grund einer Ausnahmeregelung habe befreien lassen. Ein Fall des § 94 Abs 1 KVLG a.F. habe daher nach 1975 nicht mehr vorgelegen. Dieses Ergebnis stehe auch in Übereinstimmung mit dem Zweck des § 10 Abs 1 Nr 3 SGB V, Personen aus der Familienversicherung herauszunehmen, die den Krankenversicherungsschutz als Angehörige nicht mehr verdienten, weil sie sich von der Gesetzlichen Krankenversicherung durch Befreiung gelöst hätten. Vorliegend fehle es an einer Verbindung der Klägerin zur Gesetzlichen Krankenversicherung schon deshalb, weil von vornherein keine eigene Versicherungspflicht bestehe. An ihrer Schutzbedürftigkeit zum gegenwärtigen Zeitpunkt iSd § 10 SGB V bestehe daher kein Zweifel; es wäre willkürlich, ihr diesen Schutz nunmehr zu versagen, weil sie vor mehr als 20 Jahren vorübergehend versicherungspflichtig und damit befreit gewesen sei.
Gegen das ihr am 29. Oktober 1997 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 6. November 1997 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingelegt. Sie trägt vor: Das Urteil des SG sei im Ergebnis nicht zutreffend, da die einmal ausgesprochene Befreiung von der Versicherungspflicht in der Landwirtschaftlichen Krankenversicherung iSd §§ 4 oder 59 Abs 1 KVLG 1989 unwiderruflich sei und sich - vorbehaltlich de...