Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingliederungshilfeanspruch. Erlöschen. Asylberechtigter

 

Orientierungssatz

Der Begriff Eingliederungshilfe für Spätaussiedler in § 62a Abs 5 AFG bezieht sich sowohl auf die Eingliederungsleistungen für Spätaussiedler als auch auf die Förderung der Teilnahme an Deutsch-Sprachlehrgängen für Asylberechtigte und Kontingentflüchtlinge.

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 30.06.1998; Aktenzeichen B 10 AL 8/98 B)

 

Tatbestand

Streitig ist der Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe nach § 62a Arbeitsförderungsgesetz(AFG) für die Zeit vom 6. November bis 15. Dezember 1995.

Der 1965 geborene Kläger ist pakistanischer Staatsbürger, aus seiner Heimat geflohen und befindet sich seit dem 16. März 1990 in der Bundesrepublik Deutschland. Nach einem erfolgreichen Rechtsstreit vor dem Oberverwaltungsgericht (OVG) Lüneburg ist der Kläger seit November 1994 als Asylberechtigter anerkannt.

Der Kläger war vom 19. Mai 1992 bis zum 23. Januar 1993 sowie vom 3. Mai 1993 bis zum 22. Juli 1994 als gewerblicher Arbeitnehmer tätig. Er bezog ab 8. August 1994 Arbeitslosengeld (Alg) und ab 7. Juni 1995 Arbeitslosenhilfe (Alhi). Vom 18 September 1995 bis zum 31. Oktober 1995 arbeitete er als Galvaniseurhelfer.

Am 18. Oktober 1995 beantragte der Kläger die Förderung der Teilnahme an einem Deutsch-Sprachlehrgang für Spätaussiedler, Asylberechtigte und Kontingentflüchtling vom 6. November 1995 bis zum 7. März 1996. Die Beklagte bewilligte dem Kläger die Übernahme der Lehrgangsgebühren und der Fahrkosten, lehnte jedoch mit Bescheid vom 29. November 1995 gemäß § 62a Abs 5 Satz 2 AFG die Gewährung von Eingliederungshilfe ab, weil der Kläger die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi erfüllt habe. Das Widerspruchsverfahren blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 19. Dezember 1995). Der Kläger brach am 15. Dezember 1995 die Teilnahme am Sprachlehrgang ab und bezog anschließend wieder Alhi.

Das Sozialgericht (SG) Oldenburg hat durch Gerichtsbescheid vom 3. September 1997 die Beklagte verurteilt, dem Kläger Eingliederungshilfe für die Zeit vom 6. November 1995 bis zum 15. Dezember 1995 zu zahlen. In den Gründen hat es ausgeführt, die Erlöschenswirkung des § 62a Abs 5 Satz 2 AFG beziehe sich nach dem Gesetzeswortlaut nur auf Spätaussiedler und nicht auf Asylberechtigte. Eine Ausdehnung dieser Vorschrift im Hinblick auf den Gleichbehandlungsgrundsatz auf Asylberechtigte - im Wege der Auslegung oder der Analogie - sei nicht geboten.

Die Beklagte hat gegen den am 17. September 1997 zugestellten Gerichtsbescheid am 16. Oktober 1997 Berufung eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, Leistungen aus dem siebten Unterabschnitt des AFG würden von der Überschrift "Eingliederung der Spätaussiedler" erfaßt. Daraus sei abzuleiten, daß die Leistungen, die nach § 62a AFG zu gewähren seien, einheitlich als "Eingliederungshilfe für Spätaussiedler" bezeichnet werden, unabhängig davon, ob die Anspruchsteller tatsächlich dem Personenkreis der Spätaussiedler oder einem der nach § 62a Abs 4 AFG gleichgestellten Personenkreis angehören. Für diese Ansicht spreche ferner der Wortlaut des § 62a Abs 5 AFG, wonach die "Eingliederungshilfe für Spätaussiedler.. für jeden Berechtigten..." und nicht für jeden "Spätaussiedler" entstehe.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Oldenburg vom 3. September 1997 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen des weiteren Sachverhalts und des Beteiligtenvortrags wird auf die Gerichtsakten Bezug genommen, die neben den Verwaltungsvorgänge des Arbeitsamtes O. (Stamm-Nr: ) Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

 

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist gemäß § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und insgesamt zulässig. Sie ist auch in der Sache begründet. Der angefochtene (und vom SG nicht aufgehobene) Ablehnungsbescheid vom 29. November 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 19. Dezember 1995 ist rechtlich nicht zu beanstanden. Dem Kläger steht für die Zeit vom 6. November 1995 bis zum 15. Dezember 1995 keine Eingliederungshilfe zu.

Seit der rechtskräftigen Anerkennung als Asylberechtigter nach dem Asylverfahrensgesetz erfüllt der Kläger zwar die persönlichen Voraussetzungen für den Bezug von Eingliederungshilfe nach § 62a Abs 4 Satz 1 Nr 2 AFG. Dieser Anspruch erlischt jedoch nach § 62a Abs 5 Satz 2 AFG, wenn der Berechtigte die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alhi erfüllt oder nur deshalb nicht erfüllt, weil er Alhi nicht beantragt hat. Das trifft im Falle des Klägers zu. Er hat einen Anspruch auf Alhi, den er ab 6. November 1995 nur deshalb nicht geltend gemacht hat, weil er in erster Linie Eingliederungshilfe begehrte. Der Kläger kann lediglich Leistungen nach § 62b AFG verlangen.

Das SG hat die Klagestattgabe darauf gestützt, daß § 62a Abs 5 AFG sich ihrem Wortlaut nach nur auf Spätaussiedler und nicht auf Asylberechtigte beziehe. Ein solches Verständnis wird aber der geschichtlichen Entwicklung der...

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