Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Arztvorbehalt. Verfassungsmäßigkeit. Ausschluß. Heilpraktiker. Kostenübernahme von besonderen Therapierichtungen

 

Orientierungssatz

1. Der Grundsatz des Arztvorbehaltes in der gesetzlichen Krankenversicherung ist durch Gesetz vorgegeben und verletzt weder das Grundrecht der Heilpraktiker auf Berufsfreiheit noch ihr Grundrecht auf Gleichbehandlung (vgl BVerfG vom 10.5.1988 - 1 BvR 111/77 = SozR 2200 § 368 Nr 11 mwN).

2. Die Erfolglosigkeit schulmedizinischer Behandlung ist kein geeignetes Kriterium für die Finanzierung besonderer Therapierichtung durch die gesetzlichen Krankenkassen. Insbesondere gehören die besonderen Therapierichtungen auch nur dann zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen, wenn sie von Ärzten erbracht oder angeordnet werden. Dies gilt sowohl für Vertragsärzte als auch für Nicht-Vertragsärzte, jedoch nicht für Nicht-Ärzte (vgl LSG Celle vom 20.8.1995 - L 4 Kr 11/95 = Breith 1996, 191).

 

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Erstattung der Kosten seiner Behandlungen bei einem Heilpraktiker von 1990 bis einschließlich 1993 in Höhe von 14.169,54 DM.

Der 1969 geborene Kläger ist versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Ersatzkasse. Seit seiner Geburt leidet er an den Folgen einer 1979 diagnostizierten Mucoviszidose. Nachdem sich nach seinen eigenen Angaben sein Gesundheitszustand in den Jahren 1985 bis 1987 drastisch verschlimmert hatte, begab er sich in die Behandlung verschiedener Heilpraktiker und seit dem 3. August 1987 in die Behandlung des Heilpraktikers L. in G.. Dieser wandte bei dem Kläger folgende Therapien an: Neuraltherapie, Eigenblutinjektionen, Schröpfbehandlungen, Einreibungen und Verordnung von homöopathischen Mitteln. Nach der eigenen Einlassung des Klägers führten diese Behandlungen bei ihm zu einem nachhaltigen Heilerfolg.

Mit Schreiben vom 7. November und 11. November 1994 beantragte der Kläger bei der Beklagten die rückwirkende Erstattung der ab 1990 angefallenen Behandlungskosten bei dem Heilpraktiker L. in der Gesamthöhe von 14.169,54 DM unter Vorlage entsprechender Rezepte und Bescheinigungen des Heilpraktikers L.. Mit Bescheid vom 16. Dezember 1994 lehnte die Beklagte diesen Antrag mit der Begründung ab, daß der Gesetzgeber die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung der Mitglieder und ihrer familienversicherten Angehörigen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung den Ärzten übertragen habe. Nicht-Ärzte würden weder vertraglich noch auf andere Weise an der Versorgung der Versicherten beteiligt werden. Zwar umfasse die ärztliche Behandlung in bestimmten Fällen auch die Hilfe anderer Personen (zB Masseure oder Krankengymnasten), jedoch nur dann, wenn ein Vertragsarzt die Behandlung durch diese Hilfsperson anordne und überwache, also verantwortlich mitwirke. Der Heilpraktiker gehöre nicht zu diesen Hilfspersonen. Die ärztliche Behandlung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung sei grundsätzlich den approbierten Ärzten vorbehalten.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein unter Hinweis auf den überreichten Krankheitsbericht des Heilpraktikers L. vom 15. November 1994 und die ärztlichen Bescheinigungen des behandelnden praktischen Arztes Dr. G. vom 24. November 1994 und des Arztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. W. vom 25. Oktober 1994. Mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 1995 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers als unbegründet mit der Begründung zurück, daß es nicht zulässig sei, Untersuchungs- und Behandlungsmaßnahmen eines nicht ärztlich ausgebildeten Heilpraktikers einer gesetzlichen Krankenkasse als Leistungsverpflichtung aufzugeben. Eine Erstattung von Kosten für eine Heilbehandlung durch einen Heilpraktiker habe selbst dann auszuscheiden, wenn diese Behandlung erfolgreich gewesen sei. Der Ausschluß von Heilpraktikern von der Kassenzulassung sei mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Die ärztliche Behandlung dürfe als Kassenleistung nur von Ärzten und nicht von anderen zur Ausübung der Heilkunde berechtigten Personen wie Heilpraktikern durchgeführt werden, auch nicht in dringenden Fällen. Dieser Wille des Gesetzgebers ergebe sich auch aus der Begründung zu dem entsprechenden Gesetzesentwurf. Daß die Behandlung durch approbierte Ärzte nach der Auffassung des Klägers nicht den gewünschten Erfolg gebracht habe, ermögliche keine andere Entscheidung.

Hiergegen hat der Kläger am 4. April 1995 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Hildesheim erhoben und zur Begründung vor allem ausgeführt: Die schulmedizinischen Behandlungen hätten in seinem Falle versagt. Zu Beginn seiner Behandlung bei dem Heilpraktiker L. habe er sich in einem lebensbedrohlichen Zustand befunden. Im übrigen sei die Behandlung bei dem Heilpraktiker kostengünstiger gewesen.

Das SG hat zur weiteren Aufklärung des medizinischen Sachverhaltes im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 29. Mai 1995 als Sachverständigen den Arzt für Innere Medizin Dr. M. angehört. Hinsichtlich seiner Ausführungen wird auf den Inhalt der Sitzungsniederschrif...

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