Entscheidungsstichwort (Thema)

Beitragserstattung. Heiratserstattung. Verfallswirkung. Auflösung des bisherigen Versicherungsverhältnisses. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Vorgang der bis Ende 1967 zulässigen Heiratserstattung führte nicht nur zur Rückzahlung der - anteiligen - Beiträge an die Versicherten, vielmehr führte er darüber hinaus zur Auflösung des bisherigen Versicherungsverhältnisses.

2. Die - im Wege der Heiratserstattung herbeigeführte - Auflösung des Versicherungsverhältnisses erfasste alle bis dahin zurückgelegten Versicherungszeiten, ohne Rücksicht auf den Umstand, dass Beiträge erst für nach der Währungsreform (20.6.1948) liegende Zeiten erstattet wurden.

 

Orientierungssatz

Die Verfallswirkung nach § 82 Abs 7 AVG idF vom 23.2.1957 verstieß nicht gegen Art 3 Abs 1 und Art 14 Abs 3 GG (vgl BVerfG vom 16.6.1981 - 1 BvR 445/81 = SozR 2200 § 1303 Nr 19 und BSG vom 18.2.1981 - 1 RJ 134/79 = SozR 2200 § 1303 Nr 18).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Anerkennung von Beitragszeiten in der  gesetzlichen Rentenversicherung. Es geht vorrangig darum, ob die  Anerkennung an der Verfallswirkung einer zuvor erfolgten Beitragserstattung  scheitert.

Die 1925 geborene Klägerin war in der Zeit von April 1940 bis März 1942 als  Hausgehilfin versicherungspflichtig beschäftigt. Die vorliegenden  (Original-) Quittungskarten Nr 1 und 2 der LVA H. weisen 40, 52 bzw 12  Beitragswochen in der Beitragsklasse II aus. Zu der von der Klägerin  vorgetragenen weiteren Beschäftigungszeit von April 1942 bis September 1947  liegen keine Beitragsunterlagen mehr vor. Vorhanden ist lediglich ein  Zeugnis des I., Heim für Berufstätige und alte Damen, vom 10. Juli 1946.  Dem Zeugnis zufolge war die Klägerin dort seit dem 15. Januar 1943 als  Hausangestellte tätig. Ihr werde „nunmehr Erfolg in dem angestrebten  Krankenpflegeberuf gewünscht”. Später war die Klägerin wieder von Februar  1950 bis Mai 1959 abhängig beschäftigt.

Im Zuge ihrer im Juni 1959 erfolgten Heirat beantragte die Klägerin im Juli  1959, ein Verfahren zur Beitragserstattung durchzuführen. Die Beklagte  erstattete daraufhin mit Bescheid vom 11. September 1959 die  Arbeitnehmeranteile an den für die Zeit vom 15. Februar 1950 bis zum 31.  Mai 1959 entrichteten Beiträgen auf der Grundlage des § 83  Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) iVm Art 2 § 27  Angestelltenversicherungs-Neuregelungsgesetz (AnVNG).

Einen Antrag der Klägerin, freiwillige Beiträge für die Zeit der  Heiratserstattung nach § 282 Sozialgesetzbuch (SGB) VI aF nachzuzahlen,  lehnte die Beklagte mit ihrem Bescheid vom 29. November 1995 ab. Der Antrag  scheitere bereits daran, dass die Klägerin das 65. Lebensjahr bereits  vollendet habe.

Den diesem Verfahren zugrunde liegenden Antrag der Klägerin, die gesamte  Zeit von April 1940 bis September 1947 als Beitragszeit in der gesetzlichen  Rentenversicherung anzuerkennen, lehnte die Beklagte mit ihrem Bescheid vom  22. Juni 2000 ab. Denn Ansprüche könnten aus ihnen schon deshalb nicht mehr  hergeleitet werden, weil die Heiratserstattung zur Folge gehabt habe, dass  die bis dahin abgeführten Beiträge sämtlich verfallen seien - selbst wenn  sich die Erstattung auf sie nicht bezogen habe.

Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit ihrem  Widerspruchsbescheid vom 14. September 2000 zurück. Die Verfallswirkung der  Beitragserstattung habe das gesamte bisherige Versicherungsverhältnis  betroffen. Entgegen der Auffassung der Klägerin habe sie sich auch auf alle  Zweige der gesetzlichen Rentenversicherung erstreckt.

Mit ihrer am 10. Oktober 2000 beim Sozialgericht (SG) Oldenburg  eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, die von der Beklagten  angenommene umfassende Verfallswirkung sei sozial ungerecht. Es sei nicht  einzusehen, weshalb die Anerkennung auch solcher Zeiten ausgeschlossen sei,  auf die sich die Erstattung gar nicht bezogen habe.

Das SG hat die Klage durch Urteil vom 29. Mai 2001 als unbegründet  abgewiesen. Es hat auf die Ausführungen der Beklagten im angefochtenen  Widerspruchsbescheid Bezug genommen.

Mit ihrer am 28. Juni 2001 eingegangenen Berufung verfolgt die Klägerin ihr  Begehren weiter. Sie hält die Entscheidung der Beklagten für unvereinbar  mit dem grundgesetzlichen Eigentumsschutz.

Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen,

1. das Urteil des Sozialgerichts Oldenburg vom 29. Mai 2001 sowie den  Bescheid der Beklagten vom 22. Juni 2000 in der Gestalt des  Widerspruchsbescheides vom 14. September 2000 aufzuheben,

2. die Beklagte zu verurteilen, die Zeiträume vom 1. April 1940 bis zum 31.  März 1942 sowie vom 1. April 1942 bis zum 30. September 1947 als  Beitragszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung anzuerkennen sowie

3. hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil  ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten d...

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