Entscheidungsstichwort (Thema)
Familienversicherung. Kind. Ausschluß gemäß § 10 Abs 3 SGB 5. Verfassungsmäßigkeit. notwendige Beiladung des Angehörigen
Orientierungssatz
1. In Verfahren über das Bestehen oder Nichtbestehen der Familienversicherung haben Familienangehörige das Recht, beteiligt zu werden; sie sind notwendig beizuladen.
2. Der Ausschluß von Kindern von der Familienversicherung gemäß § 10 Abs 3 SGB 5 verstößt nicht gegen die Art 3 und 6 GG.
Nachgehend
Tatbestand
Streitig ist der Anspruch auf Familienversicherung für die beigeladenen Kinder der Klägerin in der Zeit vom 1. November 1990 bis 31. Dezember 1995 und im Jahr 1997. Für die Zeit ab 1. Januar 1998 hat der Senat das Ruhen des Verfahrens angeordnet (Beschluss vom 23. Februar 2000).
Nach einer Überprüfung der Voraussetzungen für die Familienversicherung der Angehörigen stellte die Beklagte mit Bescheid vom 23. Oktober 1990 gegenüber der Klägerin fest, dass die beitragsfreie Familienversicherung für ihre Kinder R, B, M, L und G (Beigeladene zu 1 -- 5) am 30. September 1990 geendet habe. Mit weiterem Bescheid vom 05. Dezember 1990 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass das Einkommen ihres Ehegatten mit 6.500,00 DM monatlich über der Versicherungspflichtgrenze in der Krankenversicherung liege (monatlich 4.725,00 DM) und der Familienhilfeanspruch daher nach § 10 Abs 3 Sozialgesetzbuch -- Gesetzliche Krankenversicherung -- (SGB V) ausgeschlossen sei; denn das "Einkommen" ihres Ehemannes liege über der genannten Grenze. Der Ehemann der Klägerin ist als Rechtsanwalt selbstständig tätig und nicht Mitglied der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Klägerin legte gegen die Entscheidung der Beklagten Widerspruch ein, den sie damit begründete, § 10 Abs 3 SGB V sei verfassungswidrig; hilfsweise beantragte sie, ihre Kinder freiwillig zu versichern. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09. April 1991 zurück.
Die Klägerin hat am 06. Mai 1991 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben und im Wesentlichen ausgeführt: Die Regelung des § 10 Abs 3 SGB V, insbesondere die dort integrierte Beitragsbemessungsgrenze sei verfassungswidrig, da sie die Zahl der Kinder und den Familienstand nicht berücksichtige. Unabhängig von der Zahl der Kinder ginge das Gesetz davon aus, dass die finanzielle Grundlage der Familie und der Unterhalt der Kinder nicht von den Einkünften des Stammversicherten, sondern von den (hohen) Einkünften seines nicht in der gesetzlichen Krankenversicherung versicherten Ehegatten geprägt würden. Die zusätzliche finanzielle Belastung des nicht gesetzlich Versicherten auf Grund der Ausgaben für die private Krankenversicherung -- abhängig von der Anzahl der Kinder -- bleibe unberücksichtigt. Einzig eine flexible Gestaltung der Beitragsbemessungsgrenze, abhängig vom Status ledig/verheiratet und abhängig von der Anzahl der Kinder würde der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) gerecht werden. Das BVerfG habe wiederholt ausgeführt, dass Art 6 Abs 1 und Art 3 Abs 1 Grundgesetz (GG) den Gesetzgeber auch zu einer finanziellen Entlastung der Familie verpflichte. Damit sei aber eine Regelung unvereinbar, die, wie vorliegend, für Ledige und Familien mit mehreren Kindern denselben Grenzwert für die Familienversicherung vorsehe. Es müsse auch die Tatsache berücksichtigt werden, dass die Kosten für die freiwillige Versicherung der Kinder das staatliche Kindergeld überstiegen. Dieses würde nicht einmal ausreichen, um die Kinder gegen Krankheit zu versichern. Nach den Ausführungen des BVerfG müsse jedoch das Kindergeld oder der steuerliche Freibetrag den kompletten Unterhalt für ein Kind sicher stellen. Die erhebliche Ungleichbehandlung, die durch die fehlende Differenzierung -- ledig -- verheiratet -- mit einem oder mehreren Kindern -- zum Ausdruck komme, sei durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt.
Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24. November 1992 abgewiesen. Es hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Klägerin sei zwar zuzustimmen, dass bei einem Einkommen des nichtversicherten Ehegatten knapp oberhalb der Jahresarbeitsentgeltgrenze und einer großen Anzahl von Kindern die Vorschrift im Einzelfall zu gewissen Härten führen könne. Auf der anderen Seite sei der Gesetzgeber aber sowohl im Rahmen des Art 3 GG als auch im Rahmen des Art 6 GG zu einer praktikablen und pauschalen Regelung berechtigt, wenn anderenfalls die Rechtslage so kompliziert würde, dass sie nur noch schwer zu handhaben wäre. Das SG hat auf den Beschluss des BVerfG vom 09. Juni 1978 -- 1 BVR 628/77 = SozR 2200 § 205 Nr 18 Bezug genommen.
Gegen das ihr am 08. Dezember 1992 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 08. Januar 1993 Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingelegt. Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat die Beklagte die Familienversicherung der Beigeladenen zu 1 -- 5 für die Zeit vom 01. -- 31. Oktober 1990 anerkannt. Die Klä...