Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Kostenübernahme. Austausch von Amalgam-Füllungen gegen Gold-Inlays
Orientierungssatz
1. Bei der Versorgung mit Inlays handelt es sich ebenso wie bei kieferorthopädischen Leistungen und dem Zahnersatz um eine einheitliche komplexe Leistung. Ein Anspruch des Versicherten auf Inlays richtet sich daher ebenso wie die übrigen komplexen zahnärztlichen Leistungen nach den vertragszahnärztlichen Bestimmungen.
2. Eine Abrechnungsmöglichkeit für Inlays, die allein der Versorgung einzelner Zähne dienen, sehen die zahnärztlichen Gebührentarife nicht vor.
Tatbestand
Streitig ist die Kostenerstattung für Gußfüllungen (Inlayversorgung).
Die 1941 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Im Zusammenhang mit einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit wurde ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDKN) am 30. August 1994 erstellt. Danach wurde bei der Klägerin ein therapieresistentes Schmerzsyndrom mit Schwäche in den Beinen unklarer Genese diagnostiziert. Unter Vorlage des Heil- und Kostenplanes ihres Zahnarztes Dr. H vom 26. Januar 1995 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für die Versorgung mit Einlagefüllungen (Goldinlays). Die voraussichtlichen Kosten für die Inlayversorgung wurden auf 4.871,94 DM geschätzt. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme mit Bescheid vom 9. März 1995 ab. Eine Kostenbeteiligung setze eine medizinische Notwendigkeit voraus. Medizinisch notwendig sei die Versorgung mit Einlagefüllungen aber nur bei den Indikationen "Allergie gegen Amalgaminhaltsstoffe", "Schwangerschaft" und "eingeschränkte Nierenfunktion". Eine derartige Indikation läge bei der Klägerin nicht vor. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und überreichte Labor-Befundberichte des Dr. F vom 7. April und 21. April 1995. Das Vorliegen einer Amalgamunverträglichkeit werde durch die durchgeführten Urinuntersuchungen gestützt. Die Klägerin legte außerdem einen Befundbericht des Arztes für HNO-Heilkunde Dr. W vom 26. April 1995 vor. Mit Bescheid vom 23. Mai 1995 erklärte sich die Beklagte bereit, sich an den Kosten für die Inlayversorgung mit einem Betrag in Höhe von 498,64 DM zu beteiligen. Im übrigen wies sie den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14. August 1995 zurück. Nach dem anerkannten wissenschaftlichen Stand könne aufgrund der bei der Klägerin gemessenen Quecksilberwerte nicht von einer behandlungsbedürftigen Quecksilbervergiftung ausgegangen werden. Im übrigen handele es sich bei einem DMPS-Test um eine neue Untersuchungsmethode, die nicht hinreichend erprobt sei.
Die Klägerin hat am 1. September 1995 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Sie hat ua vorgetragen, bei ihr liege mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Quecksilbervergiftung vor. Deshalb sei die Beklagte verpflichtet, die Kosten für den Austausch der Amalgam-Füllungen gegen Gold-Inlays in vollem Umfang zu übernehmen. Die Klägerin legte die Entlassungsberichte des Krankenhauses L vom 6. Januar 1995 und 13. Januar 1995 sowie Berichte ihres Zahnarztes Dr. H vom 24. Januar 1995 und ohne Datum - eingegangen beim Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 4. März 1995 - vor.
Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid (GB) vom 24. April 1996 abgewiesen. Bei Zahngußfüllungen handele es sich nicht um Leistungen, die vom Bundesmantelvertrag bzw Ersatzkassenvertrag erfaßt seien. Solche Gußfüllungen könnten deshalb regelmäßig nicht im Rahmen der vertragszahnärztlichen Versorgung als Sachleistung zur Verfügung gestellt werden. Eine Kostenerstattung käme nach § 13 Abs 2 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V) nur in Betracht, wenn die Krankenkasse gleichwohl zur Leistung verpflichtet wäre. Dies würde aber voraussetzen, daß eine Versorgung mit Gußfüllungen bei der Klägerin erforderlich gewesen sei, weil die Amalgam-Füllungen wegen einer Quecksilbervergiftung hätten entfernt werden müssen. Ein solcher Nachweis könne aber nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft nicht geführt werden. Das SG hat hierzu auf die "Amalgam-Gesprächsrunde" vom 5. März 1992 verwiesen. Danach sei der Nachweis einer Quecksilberunverträglichkeit nach wie vor nur durch den aufgrund eines Epikutantestes ausgestellten Allergiepaß zu erbringen, da erwiesenermaßen Urin-, Speichel- oder Bluttests zur Begründung einer Quecksilberunverträglichkeit durch das Legen, Tragen oder Entfernen von Amalgam-Füllungen nicht geeignet seien.
Gegen den ihr am 2. Mai 1996 zugestellten GB hat die Klägerin am 3. Juni 1996 - einem Montag - Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen eingelegt. Die Klägerin rügt, das Gericht gehe unzutreffenderweise davon aus, daß nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft der Nachweis von Quecksilbervergiftungen verbunden mit nachträglichen Folgen für die Gesundheit von Patienten mit Amalgam-Füllungen noch nicht geführt sei. In einer vom Bund für Umwelt und Naturschutz bei der Universität Tübingen in Auftrag gegebenen beachtlichen wissenschaftlichen Stud...