Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragszahnarzt. Nichtvergütung. Aufstellung. Heil- und Kostenplan. Verfassungsmäßigkeit. Aufforderung. Kassenzahnärztliche Vereinigung. Abschluß. private Vereinbarungen. Rechtswidrigkeit. Beratung. Aufsichtsbehörde

 

Orientierungssatz

1. Die an Kassenärzte gerichtete Empfehlung einer Kassenzahnärztlichen Vereinigung, private Vereinbarungen mit Kassenpatienten über die Vergütung für die Aufstellung von Heil- und Kostenplänen abzuschließen, ist rechtswidrig. § 85 Abs 2 S 5 SGB 5aF - jetzt: § 85 Abs 2 S 6 SGB 5nF - erlaubt derartige Vereinbarungen grundsätzlich nicht.

2. § 85 Abs 2 S 5 SGB 5aF bzw § 85 Abs 2 S 6 SGB 5nF ist mit Art 12 und 14 GG vereinbar.

3. Ein bloßer Hinweis der Aufsichtsbehörde auf die gegebenenfalls vermeintliche - Rechtsverletzung genügt grundsätzlich nicht; vielmehr sollen dem Versicherungsträger Maßnahmen aufgezeigt werden, wie er sie beheben kann (vgl BSG, vom 19.12.1995 - 4 RLw 2/95 = SozR 3-5868 § 85 Nr 1).

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer Aufsichtsmaßnahme.

Die Klägerin empfahl ihren Mitgliedern mit Sonderrundschreiben vom 29. Dezember 1988, ab 1. Januar 1989 mit Patienten private Vereinbarungen über die Vergütung für die Aufstellung von Heil- und Kostenplänen zu treffen. Anlaß hierfür war der mit Wirkung ab 1. Januar 1989 in Kraft gesetzte § 85 Abs. 2 Satz 5 Fünftes Sozialgesetzbuch (SGB V) idF des Gesundheitsreformgesetzes - jetzt: § 85 Abs. 2 Satz 6 SGB V idF des Gesundheitsstrukturgesetzes - , nach dem Vergütungen für die Aufstellung eines Heil- und Kostenplans beim Zahnersatz nicht zulässig sind. Mit Schreiben vom 6. Januar 1989 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, daß die Vorschrift es nicht zulasse, derartige Kosten durch Sondervereinbarungen zwischen Kassenzahnarzt und Versichertem letzterem aufzubürden. Gleichzeitig beriet der Beklagte die Klägerin dahingehend, die Empfehlung zurückzunehmen, und bat um Stellungnahme bis zum 25. Januar 1989. Mit Schreiben von diesem Tag teilte die Klägerin dem Beklagten mit, daß sie seine Rechtsauffassung nicht teile. § 85 Abs. 2 Satz 5 SGB V aF enthalte eine Auflage an die Krankenkassen, im Rahmen der Gesamtvergütung für die Aufstellung von Heil- und Kostenplänen keine Zahlungen vorzunehmen. Ein Verbot für den Zahnarzt, ein Honorar für diese Leistung zu berechnen, werde durch die Vorschrift nicht begründet. Darüber hinaus sei § 85 Abs. 2 Satz 5 SGB V aF wegen Verstoßes gegen Art. 14 Grundgesetz (GG) verfassungswidrig, da bereits vor dem Inkrafttreten des Gesundheitsreformgesetzes mit den Krankenkassen vereinbarte Vergütungen für das Jahr 1989 beseitigt werden sollten. Im übrigen erscheine es ausgeschlossen, daß im Wege der Rechtsaufsicht Korrekturen von Rechtsauffassungen gefordert werden könnten. Niemand könne es ihr verwehren, sich eine bestimmte Rechtsauffassung zu bilden und diese in der Öffentlichkeit zu vertreten. Mit Sonderrundschreiben vom 25. Januar 1989 bekräftigte die Klägerin ihren Rechtsstandpunkt noch einmal gegenüber ihren Mitgliedern. Mit Bescheid vom 8. Februar 1989 - abgesandt am 14. Februar 1989 - verpflichtete der Beklagte die Klägerin, ihre mit Sondermitteilung vom 29. Dezember 1988 und Sonderrundschreiben zum 25. Januar 1989 ausgesprochene Empfehlung, Vergütungen für die Aufstellung von Heil- und Kostenplänen direkt mit dem Patienten abzurechnen, unverzüglich zurückzunehmen. Die Klägerin erwecke bei ihren abrechnenden Mitgliedern rechtswidrig den Eindruck, daß die Zahnärzte von den Patienten die Vergütung für Heil- und Kostenpläne fordern könnten. Es bestehe deshalb die Gefahr, daß die gesetzliche Neuregelung in der Praxis falsch angewandt und die Patienten in rechtswidriger Weise von den Kassenzahnärzten zur Zahlung aufgefordert würden.

Die hiergegen am 8. März 1989 erhobene Klage hat das Sozialgericht (SG) Hannover, nachdem der Rechtsstreit zwischenzeitlich ruhend gestellt war, mit Urteil vom 23. Februar 1994 abgewiesen. Die angefochtene Aufsichtsverpflichtung sei rechtmäßig. Die von § 89 Abs. 1 Satz 1 Viertes Sozialgesetzbuch (SGB IV) geforderte vorherige aufsichtsrechtliche Beratung sei unter Berücksichtigung der nicht vorhandenen Dialogbereitschaft der Klägerin ausreichend durchgeführt worden. Der Bescheid verstoße auch nicht gegen § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X, nach dem die Begründung von Ermessensentscheidungen die Gesichtspunkte erkennen lassen müsse, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen sei. Abgesehen davon, daß die Vorschrift auf die Aufsichtsverpflichtung nach § 89 Abs. 1 Satz 2 SGB IV keine Anwendung finde, seien Ermessenserwägungen im angefochtenen Bescheid dokumentiert. Die Klägerin habe auch das Recht verletzt. § 85 Abs. 2 Satz 5 SGB V aF - heute § 85 Abs. 2 Satz 6 SGB V nF - schließe eine Vergütung des Heil- und Kostenplans für den Zahnarzt im Grundsatz aus. Bereits aus den Gesetzesmaterialien folge, daß es Wille des Gesetzgebers gewesen sei, jegliche Vergütung für Heil- und Kostenpläne, d.h. auch die privatrechtlich...

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