Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Pflegeversicherung. Wechseldruck-Matratze. Bereitstellung durch Heimträger bei vollstationärer Pflege
Orientierungssatz
1. Zu den Pflegeheimen vorzuhaltende Hilfsmittel gehören alle Mittel, die der "Sphäre" der vollstationären Pflege zuzurechnen sind. Nur diejenigen Hilfsmittel, die nicht der "Pflegesphäre" zuzurechnen sind, hat die gesetzliche Krankenversicherung zu gewähren. Hierzu gehören im Wesentlichen die individuell angepassten Hilfsmittel und die Hilfsmittel, die der Befriedigung eines allgemeinen Grundbedürfnisses, zB der Kommunikation oder der Mobilität außerhalb des Pflegeheimes dienen (vgl BSG vom 10.2.2000 - B 3 KR 17/99 R = SozR 3-2500 § 33 Nr 36 und B 3 KR 26/99 R = BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37).
2. Eine Wechseldruck-Matratze ist weder ein individuell angepasstes Hilfsmittel, das exclusiv für einen Pflegeheimbewohner hergestellt und nur für ihn verwendbar wäre, noch befriedigt es ein allgemeines Grundbedürfnis außerhalb des Pflegeheimes.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hildesheim vom 29. November 1999 wird aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin hat die außergerichtlichen notwendigen Kosten der Beigeladenen zu 2) in beiden Rechtszügen zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung einer Wechseldruckmatratze "Air Works Sure" mit dynamischem Wechseldruckzyklus.
Die ... 1912 geborene Klägerin lebt in dem Alten- und Pflegeheim H in S Das Amtsgericht Peine hat mit Datum vom 30. Oktober 1997 Herrn Walter P für die Klägerin zum Betreuer bestellt. Der Aufgabenkreis umfasst die Sorge für die Gesundheit der Betroffenen, die Aufenthaltsbestimmung, die Entscheidung über unterbringungsähnliche Maßnahmen (§ 1906 Abs 4 BGB), die Vermögenssorge sowie die Post- und Fernmeldeangelegenheiten. Die Klägerin erhält seit 1998 Leistungen der Pflegestufe III. Sie ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten.
Seit einem Schlaganfall ist die Klägerin bettlägerig. Es besteht eine Spastik in allen Gelenken mit Überstreckungstendenzen. Sie leidet darüber hinaus an fortgeschrittener cerebrovaskulärer Insuffizienz, allgemeinen Durchblutungsstörungen und Dekubitus. Darüber hinaus wird sie wegen Schluckstörungen seit dem Schlaganfall über eine Sonde ernährt.
Unter dem 7. Januar 1998 verordnete der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr W eine Wechseldruck-Matratze bei Dekubitus II. Nach Angaben der Beigeladenen zu 2.) sind im Heim 14 Anti-Dekubitus-Matratzen vorhanden. Diese stehen allen 200 Bewohnern zur Verfügung, so auch der Klägerin. Nach dem Kostenvoranschlag der Firma K Orthopädietechnik betragen die Kosten für ein "AD-Wechseldrucksystem Air Works Sure" mit dynamischem Wechseldruckzyklus (7,5 min) bis 120 kg 6.256,-- DM. Den von der Firma K für die Klägerin hierfür gestellten Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Januar 1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Juni 1998 ab. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Matratze vom Pflegeheim gestellt werden müsse, da diese für die Versorgung zuständig sei. Es müsse eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung gewährleistet sein, die nach § 72 Abs 3 Satz 1 iVm § 71 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) Voraussetzung für den Abschluss von Versorgungsverträgen mit den Pflegekassen sei. Die Wechseldruck-Matratze diene der Vereinfachung der Pflege und könne daher nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden.
Hiergegen hat die Klägerin mit Schreiben vom 20. Juli 1998, eingegangen beim Sozialgericht Hildesheim am selben Tage, Klage erhoben. Das SG hat die Pflegekasse bei der AOK Niedersachsen sowie das Pflegeheim beigeladen und den Befundbericht des Dr W vom 29. Januar 1999 eingeholt.
Mit Urteil vom 29. November 1999 hat das SG die Beklagte verurteilt, der Klägerin eine Wechseldruck-Matratze bei Dekubitus II zur Verfügung zu stellen und die weitergehende Klage auf Übernahme der Kosten für die von der Firma K genannte Wechseldruck-Matratze abgewiesen. Zur Begründung hat das SG ausgeführt, dass die Klägerin einen Anspruch auf Versorgung mit einer Dekubitus-Matratze entsprechend der Verordnung des Dr W vom 7. Januar 1998 habe, nicht jedoch mit der vom Sanitätshaus K angeführten Wechseldruck-Matratze "Air Works Sure" mit dynamischem Wechseldruckzyklus. Die Wechseldruck-Matratze sei medizinisch notwendig zur Vermeidung von weiteren Dekubitusgeschwüren. Hierbei handele es sich um eine Krankheit iSd SGB V. Dieser Anspruch der Klägerin sei auch nicht dadurch ausgeschlossen, dass sie in einem Pflege- bzw Altenheim lebe. Soweit die Beklagte ausführe, die Leistungspflicht sei ausgeschlossen, da das Hilfsmittel allein der Pflege diene, lägen die Voraussetzungen hier nicht vor. Alleine der Erleichterung der Pflege diene ein Hilfsmittel nur, wenn Pflegemaßnahmen ohne Benutzung des Hilfsmittels durchführbar seien, von der Pflegeperson jedoch einen erhöhten k...