Rechtskraft: nein
Entscheidungsstichwort (Thema)
Künstliche Befruchtung. homologe Insemination. heterologe Insemination. Samenzelle. Ehe. Familie. Lebensgemeinschaft. nichteheliche Lebensgemeinschaft. gleichgeschlechtliche Gemeinschaft
Leitsatz (amtlich)
1. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat eine Versicherte keinen Anspruch auf Maßnahmen der heterologen Insemination (so bereits LSG Niedersachsen, Urteile vom 18.8.1993 – L 4 Kr 78/93 – und 12.7.200 – L 4 KR 42/99 –).
2. Das gilt auch für eine Versicherte, die die heterologe Insemination wegen einer schweren, möglicher Weise vererbbaren Erkrankung ihres Ehegatten durchgeführt hat.
3. Die Zielsetzung des § 27a SGB V liegt darin, auf Kosten der Krankenkasse den natürlichen Zeugungsakt der Ehegatten miteinander durch eine Maßnahme der künstlichen Befruchtung zu ersetzen. Daher ist es sachgerecht, wenn der Anspruch nach § 27a SGB V auf die Verwendung von Ei- und Samenzellen der Ehegatten beschränkt ist.
Normenkette
SGB V § 27a; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; ErbStG § 10 Abs. 1 StKl I Nr. 2 Buchst. D
Verfahrensgang
SG Osnabrück (Entscheidung vom 07.02.2001; Aktenzeichen S 3 KR 133/99) |
Tenor
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Kostenerstattung für eine künstliche Befruchtung durch fremde Samenzellen (heterologe Insemination).
Die am 12. Juli 1973 geborene und bei der Beklagten versicherte Klägerin ist mit C. verheiratet. Ihr Ehegatte leidet unter einem Marfan-Syndrom. Hierbei handelt es sich um eine generalisierte Bindegewebserkrankung mit variabler Expressivität. Diese wird durch Veränderungen des Habitus, des kardiovaskulären Systems und der Augen charakterisiert (vgl. Psychrembel, Klinisches Wörterbuch, 257. Auflage, S 938 f). Nach den Angaben der Klägerin sei in der Medizin nicht geklärt, ob die Krankheit in den nachfolgenden Generationen unverändert oder abgeschwächt weitergegeben werde. Die Mutter und der Bruder des Ehegatten seien an der Krankheit bereits verstorben. Das Risiko, ein gemeinsames Kind der Eheleute könnte von der Krankheit betroffen sein, sei daher zum einen groß, zum anderen wegen der Schwere der Erkrankung unabschätzbar. Vor diesem Hintergrund hätte sie sich mit ihrem Ehemann entschieden, keine gemeinsamen Kinder zu zeugen. Entsprechend begehre sie die Übernahme der Kosten für eine künstliche Befruchtung. Das Verfahren sei von der Beklagten fehlerhaft als In-Vitro-Fertilisation bezeichnet worden. Es handele sich hier um die sogenannte heterologe Insemination. Dabei werde Fremdsperma per Katheder in die Gebärmutter eingebracht.
Den Antrag der Klägerin auf Übernahme der Kosten für eine heterologe Insemination vom 23. April 1999 lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 26. April 1999 ab, da eine Kostenübernahme der heterogenen Insemination durch die Krankenkassen nur im homologen System erfolgen könne. Es dürften nur Ei- und Samenzellen der Ehegatten verwendet werden. Den Widerspruch der Klägerin wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten mit Bescheid vom 14. Juli 1999 zurück.
Die Klägerin hat am 27. Juli 1999 Klage vor dem Sozialgericht (SG) Osnabrück erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, die Regelung des § 27a Abs. 1 Ziff 4 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung – SGB V sei verfassungswidrig. Die Leistungsbegrenzung auf Maßnahmen im sogenannten homologen System schaffe eine unterschiedliche leistungsrechtliche Behandlung im Sinne der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenversicherung. § 27a SGB V knüpfe die Leistungen an den Familienstand, obwohl dieser innerhalb der Solidargemeinschaft der gesetzlichen Krankenkassen normalerweise kein Kriterium sei, um danach Leistungsberechtigungen zu differenzieren. In diesem Zusammenhang sei von besonderer Bedeutung, dass das Bundessozialgericht (BSG) selbst für das Beitragsrecht eine Differenzierung nach dem Kriterium des Familienstandes ausdrücklich untersagt habe (BSGE 48, 134). Leistungsrechtliche Differenzierungen seien nur dann zulässig, wenn sie auf sachbezogenen Gründen beruhten und sich aus der Natur der Krankenversicherung ergäben. Solche sachbezogenen Gründe seien hier nicht ersichtlich, zumal das Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenkassen im Kapitel der sonstigen Hilfen sowohl bei der Empfängnisberatung als auch beim Schwangerschaftsabbruch ebenfalls keinen Unterschied auf Grund des Familienstandes des Versicherten machten. Es liege damit ein Verstoß gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG) vor. Soweit in der Gesetzesbegründung (Bundesratsdrucksache BR-BT. 65/90) darauf verwiesen werde, dass die verfassungsrechtlich gebotene Pflicht des Staates zur Förderung der Ehe und Familie nach Art. 6 GG eine Differenzierung erforderlich mache, könne dem nicht gefolgt werden. Die Verfassung lege der Gesetzgebung auf, die gleichen Bedingungen für leibliche und seelische Entwicklung von ehelichen und nichtehelichen Kindern zu schaffen. Entsprechend seien in der Vergangenheit verschiedene Regelungen eingeführt worden, die eh...