Entscheidungsstichwort (Thema)
Kassenzahnärztliche Vereinigung. Berechtigung zur Budgetierung von Gesamtvergütungen durch individuelle Bemessungsgrenze. Ermittlung der Bemessungsgrenze für 1994 bei Jungzahnarzt. Honorarkürzung aufgrund Überschreitung der Bemessungsgrenze. Beachtung der Degressionsregelung nach § 85 Abs 4b SGB 5
Orientierungssatz
1. Eine Kassen(zahn)ärztliche Vereinigung ist berechtigt, der Budgetierung der Gesamtvergütung durch Einführung einer am bisherigen Umsatz der einzelnen Praxis orientierten Bemessungsgrenze Rechnung zu tragen (vgl BSG vom 21.10.1998 - B 6 KA 65/97 R = SozR 3-2500 § 85 Nr 27 und B 6 KA 71/97 R = BSGE 83, 52 = SozR 3-2500 § 85 Nr 28).
2. Der Einführung individueller Bemessungsgrundlagen liegt die Einschätzung zugrunde, dass größere Schwankungen im Leistungsverhalten bei langjährig betriebenen und etablierten Praxen in der Regel nicht gegeben sind.
3. Zur Ermittlung der individuellen Bemessungsgrenze für 1994 bei Vertragszahnärzten, die sich erst in 1991 niedergelassen haben.
4. Eine Honorarkürzung aufgrund einer Überschreitung der individuellen Bemessungsgrundlage kommt nur dann in Betracht, wenn das an den Zahnarzt tatsächlich auszuzahlende Honorar für die budgetierten Leistungsbereiche die individuelle Bemessungsgrundlage überschreitet. Hingegen ist es nicht zulässig, anstelle des tatsächlichen Honoraranspruchs auf einen fiktiven Honoraranspruch abzustellen, der sich unter Außerachtlassung der gesetzlich vorgegebenen Degressionsbestimmung des § 85 Abs 4b SGB 5 ergeben würde.
Tenor
Das Urteil des Sozialgerichts Hannover vom 18. April 2001 und der Bescheid der Beklagten vom 12. September 1994 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. Mai 1996 werden geändert.
Die Beklagte wird verpflichtet die Bemessungsgrundlage für die Gemeinschaftspraxis der Kläger für das Jahr 1994 auf 759.379,62 DM festzusetzen.
Der Bescheid der Beklagten vom 27. März 1995 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 07. Mai 1996 wird aufgehoben, soweit in diesem ein höherer Budgetabzug aufgrund einer Überschreitung der individuellen Bemessungsgrundlage als 86.918,48 DM festgesetzt worden ist.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Kläger aus beiden Rechtszügen zu erstatten.
Tatbestand
Die Kläger wenden sich gegen die Festsetzung ihrer individuellen Bemessungsgrundlage für das Jahr 1994 und gegen die aufgrund einer Überschreitung dieser Bemessungsgrundlage von der Beklagten verfügte Honorarkürzung.
Der Kläger zu 1) ist seit dem 01. April 1960 zur vertragszahnärztlichen Versorgung in C zugelassen. Sein Sohn, der Kläger zu 2), ließ sich zum 01. Oktober 1991 ebenfalls als Vertragszahnarzt in C nieder und gründete von diesem Tag an mit dem Kläger zu 1) eine Gemeinschaftspraxis. In C waren am 01. Januar 1991 zehn und am 01.Januar 1992 und in den folgenden Jahren bis 1995 jeweils 14 Vertragszahnärzte niedergelassen. Die Einwohnerzahl in C stieg von 24.733 am 01. Januar 1991 auf 28.033 am 01. Januar 1995.
Die Vertreterversammlung der Beklagten beschloss am 09. Juli 1994 mit Rückwirkung zum 01. Januar 1994 einen Honorarverteilungsmaßstab (HVM) für die Jahre 1994 und 1995. Dieser sah vor, dass die Vertragszahnärzte für die Leistungsbereiche konservierend-chirurgische Behandlung, PAR-Behandlungen und Kieferbruchbehandlungen (im Folgenden: budgetierte Leistungsbereiche) Vergütungsansprüche aufgrund ihrer vertragszahnärztlichen Tätigkeit gegen die Beklagte in voller Höhe bis zu der jeweiligen individuellen Bemessungsgrundlage erhalten sollten. Aus der Gesamtvergütung, die die Beklagte bezogen auf die vorstehend genannten Leistungsbereiche von den Krankenkassen erhält, sollten zunächst die Vergütungsansprüche der Vertragszahnärzte bis zur Erreichung der jeweiligen Bemessungsgrundlage befriedigt werden (Ziff. 3.2.2). Ein danach verbleibender Anteil der Gesamtvergütung sollte schließlich anteilig nach Maßgabe der weitergehenden Vergütungsansprüche auf diejenigen Vertragszahnärzte verteilt werden, die ihre jeweilige individuelle Bemessungsgrundlage im Abrechnungsjahr überschritten (Ziff. 3.2.1 und 3.2.2).
Die danach maßgebliche individuelle Bemessungsgrundlage errechnete sich für das Jahr 1994 für jeden an der vertragszahnärztlichen Versorgung teilnehmenden Vertragszahnarzt nach der Grundregel der Ziff. 2.1 des HVM aus dem Mittelwert der Summe der abgerechneten Leistungen für die budgetierten Leistungsbereiche aus dem die Jahre 1991 bis 1993 umfassenden Bemessungszeitraum, wobei dieser Wert um einen Abschlag von 8 % zu kürzen war (Ziff. 2.3).
Für Vertragszahnärzte, die noch keine vollen fünf Jahre niedergelassen waren, sah Ziff. 2.5 des HVM in der ebenfalls rückwirkend zum 01. Januar 1994 in Kraft getretenen Neufassung vom 11. Januar 1995 Ausnahmen vor: Für diese Vertragszahnärzte gilt für die Berechnung des individuellen Budgets für das Jahr 1994 das arithmetische Jahresmittel aller Vertragszahnärzte der Beklagten aus dem Jahr 1993 mit dem für all...