Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablehnung eines Richters wegen Besorgnis der Befangenheit
Orientierungssatz
1. Ein Richter kann als befangen abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der den Antragsteller von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteilich entscheiden.
2. Es stellt einen die Besorgnis der Befangenheit rechtfertigenden Grund dar, wenn ein Richter durch eine unsachliche, abfällige, höhnische oder kränkende Wortwahl eine negative Einstellung gegenüber einem Beteiligten zum Ausdruck bringt oder ansonsten in unsachlicher oder unangemessener Weise den nötigen Abstand zu dem Beteiligten oder der Sache selbst vermissen lässt.
Tenor
Das Gesuch der Antragstellerin auf Ablehnung von Richter am Sozialgericht N wegen Besorgnis der Befangenheit wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
In dem vor der 13. Kammer des Sozialgerichts (SG) Münster geführten Rechtsstreit S 13 U 293/11 hat die Antragstellerin (AS) durch ihren Prozessbevollmächtigten in der Klageschrift vom 14.09.2011 abschließend ausgeführt "Wir gehen davon aus, dass wir für die ausführliche Klagebegründung eine Frist von drei Monaten ab Übersendung der Verwaltungsakten haben."
In dem weiteren von der AS geführten Rechtsstreit S 13 U 129/11 SG Münster hat Richter am Sozialgericht (RiSG) N der AS im Schreiben vom 29.09.2011 u.a. mitgeteilt "Nach Eingang ihrer angekündigten "ausführlichen" Klagebegründung in der Streitsache S 13 U 293/11 sowie der Klageerwiderung der Beklagten mit Akten ist eine gemeinsame medizinische Beweiserhebung durch Einholung eines Gutachtens beabsichtigt."
Auf Vorbringen der AS (Schriftsatz vom 06.10.2011) "Befremdlich ist darüber hinaus, dass das Gericht es für erforderlich hält, auf die angekündigte ausführliche Klagebegründung in Anführungszeichen zu verweisen. Sollen wir daraus den Schluss ziehen, dass der Herr Vorsitzende uns gegenüber Vorbehalte hegt, die Zweifel an seiner Objektivität bei der Entscheidung der Sache befürchten lassen?" hat RiSG N mit Schreiben vom 10.10.2011 geantwortet "Ihre Ausführungen im Schriftsatz vom 06.10.2011 sind wenig nachvollziehbar. In Ihrer Klageschrift vom 14.09.2011 - S 13 U 293/11 - haben Sie selbst eine "ausführliche" Klagebegründung innerhalb von 3 Monaten angekündigt. Welche Schlüsse Sie daraus ziehen, wenn ich auf Ihren eigenen Vortrag Bezug nehme, bleibt Ihnen unbenommen."
Die AS leitet daraus Besorgnis der Befangenheit her, dass der abgelehnte Richter durch die Bezugnahme in Anführungszeichen den Eindruck erweckt habe, dass er offenbar anzweifele, dass die Prozessbevollmächtigten der AS willens oder in der Lage seien, die Ankündigung, die Klage noch weiter ausführlich zu begründen, auch umzusetzen.
II.
Das Befangenheitsgesuch der AS ist nicht begründet.
Ein Richter kann wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen dessen Unparteilichkeit zu rechtfertigen (§ 42 Abs. 2 Zivilprozessordnung i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]). Für die Feststellung eines solchen Grundes kommt es nicht darauf an, ob der Richter tatsächlich parteilich oder befangen ist oder aber sich selbst für befangen hält. Andererseits begründet die subjektive Überzeugung eines AS oder seine Besorgnis, der Richter sei befangen, allein nicht die Berechtigung der Ablehnung. Entscheidend ist vielmehr, ob ein Grund vorliegt, der den AS von seinem Standpunkt aus nach objektiven Maßstäben befürchten lassen könnte, der von ihm abgelehnte Richter werde nicht unparteilich entscheiden (std. Rspr., vgl. u.a. Bundesverfassungsgericht, Beschlüsse vom 12.07.1986 - 1 BvR 713/83, 1 BvR 921/84, 1 BvR 1190/84, 1 BvR 333/85, 1 BvR 248/85, 1 BvR 306/85, 1 BvR 497/85 -, vom 05.04.1990 - 2 BvR 413/88 - und vom 02.12.1992 - 2 BvF 2/90, 2 BvF 4/92, 2 BvF 5/92 -; Bundessozialgericht, Beschluss vom 01.03.1993 - 12 RK 45/92 -).
Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
Nach objektiven Maßstäben rechtfertigt der Umstand, dass RiSG N das Wort "ausführlichen" bzw. "ausführliche" in Anführungszeichen geschrieben hat, keine Besorgnis der Befangenheit. Insbesondere vermag der Senat das Vorbringen der AS nicht nachzuvollziehen, damit werde der Eindruck erweckt, es bestünden Zweifel an dem Willen oder der Fähigkeit ihrer Prozessbevollmächtigten, die Klage zu begründen. Für eine solche Vermutung besteht nach dem gesamten Akteninhalt schon deshalb kein Anhaltspunkt, weil in dem Rechtsstreit S 13 U 129/11 SG Münster das Klagebegehren der AS umfangreich über annähernd sechs Seiten (Schriftsatz vom 30.06.2011) begründet worden ist und sich damit die Frage stellt, aus welchem Grund Gegenteiliges in dem Rechtsstreit S 13 U 293/11 hätte erwartet werden können.
Damit spricht zunächst Alles dafür, dass der Gebrauch der Anführungszeichen auf der Grundlage des § 89 des Regelwerks der deutschen Rechtschreibung (s. dazu "Regeln und Wörterverzeichnis - Entsprechend den Empfehlungen des Rats für deutsche Rechtschreibung" unter ...