Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. Wahlrecht des Rechtsanwalts bei der Abrechnung von Gebühren und Auslagen im Falle der Verbindung von Verfahren (hier: einstweilige Rechtsschutzverfahren). Verfahrensgebühr bei Vorbefassung. Erledigungsgebühr
Leitsatz (amtlich)
Bei der Abrechnung von Gebühren und Auslagen nach dem RVG können Rechtsanwälte im Falle der Verbindung nach § 113 SGG wählen: Sie können ihre Vergütung entweder insgesamt für das verbundene Verfahren oder für die vor der Verbindung noch selbständigen Verfahren und die dort bereits verwirklichten Gebührentatbestände geltend machen. Dem steht § 15 Abs 2 S 1 RVG in der bis zum 1.8.2013 geltenden Fassung nicht entgegen.
Orientierungssatz
1. Bei Vorbefassung des Bevollmächtigten mit der Sache in einem Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren bereits vor Einleitung des Eilverfahrens gelangt nicht Nr 3102 RVG-VV, sondern Nr 3103 RVG-VV zur Anwendung. Die Einleitung des Vorverfahrens genügt.
2. Eine Erledigungsgebühr entsteht nur, wenn sich die Rechtssache ganz oder teilweise erledigt und hierfür ein zusätzliches, über die allgemeine Prozessführung hinausgehendes, auf die unstreitige Erledigung gerichtetes anwaltliches Handeln zumindest mitursächlich gewesen ist.
Tenor
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 27.06.2013 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I. Die beschwerdeführende Bevollmächtigte des Antragstellers begehrt die Festsetzung einer höheren Vergütung aus der Landeskasse nach dem RVG für ihr Tätigwerden in einem von zwei parallel anhängig gewordenen Eilverfahren des Antragstellers bei dem Sozialgericht.
Der am 00.00.1945 geborene, alleinstehende Antragsteller ist nach mehreren Hirninfarkten und einer Herzoperation körperlich und geistig stark eingeschränkt. Die Beschwerdeführerin wurde vom Amtsgericht C zu seiner Betreuerin bestellt. Nachdem der Antragsteller erkrankungsbedingt nicht mehr in seiner Wohnung leben konnte, wurde er - unterbrochen durch stationäre Krankenhausaufenthalte - in Einrichtungen des betreuten Wohnens im Zuständigkeitsbereich der Antragsgegnerin versorgt. Dort erhielt er auch Pflegeleistungen durch einen ambulanten Pflegedienst. Die Kosten für den Pflegedienst beliefen sich auf knapp 4.000,00 EUR monatlich (März 2013). Die Antragsgegnerin gewährte dem Antragsteller zunächst laufend kostendeckende Hilfe zur Pflege nach dem Siebten Kapitel SGB XII sowie Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel SGB XII.
Ende 2012 kamen zwischen der Antragsgegnerin und dem Antragsteller (bzw. der Beschwerdeführerin) Unstimmigkeiten zur als angemessen anzusehenden Betreuungsform und insoweit zur Höhe der Sozialhilfeaufwendungen auf. Die Antragsgegnerin hielt es für möglich und zumutbar, dass der Antragsteller in ein Pflegeheim ziehe, und leitete ein "Verfahren zur Kostendeckelung" ein.
Mit Bescheid vom 11.02.2013 setzte sie unter der Überschrift "Antrag auf Hilfe zur Pflege nach §§ 61 ff. Sozialgesetzbuch (SGB) XII" die Sozialhilfe für den Antragsteller ab dem 01.03.2013 auf 3.473,97 EUR fest. Mit weiteren Bescheiden vom 19.02.2013 und 20.02.2013 stellte sie unter Hinweis auf den Bescheid vom 11.02.2013 die Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung sowie nach den folgenden Kapiteln des SGB XII ab dem 01.03.2013 ein.
Gegen beide Bescheide legte der Antragsteller noch im Februar 2013 Widerspruch ein. Außerdem stellte er - vertreten durch die Beschwerdeführerin - am 01.03.2013 beim Sozialgericht Detmold zwei gesonderte Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung und beantragte zugleich jeweils die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung der Beschwerdeführerin.
In einem der beiden Eilverfahren (ursprüngliches Aktenzeichen des Sozialgerichts S 2 SO 65/13 ER) beantragte der Antragsteller, die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm die benötigte Hilfe zur Pflege in voller Höhe (3.956,07 EUR monatlich) zu finanzieren. Spätestens ab dem 16.04.2013 werde er nicht weiter in seiner derzeitigen Wohnung versorgt, wenn bis dahin keine Zusage für die Übernahme der vollständigen Pflege- und Versorgungskosten vorliege. Da auch kein anderer Pflegedienst zu den von der Antragsgegnerin akzeptierten Konditionen bereit sei, ihn zu versorgen, bedeutete dies für ihn, dass er dann unversorgt bleibe oder in ein Altenheim ziehen müsse. Ersteres sei nicht tragbar, weil er dann nach wenigen Stunden in unhygienischen Zuständen leben und nach kurzer Zeit verhungern und verdursten würde. Letzteres sei indiskutabel, weil ihm der Auszug aus seiner Wohnung nicht zumutbar sei; dies folge aus einem (mit der Antragsschrift vorgelegten) Attest seines Hausarztes vom 03.12.2012. Die Antragsgegnerin sei verpflichtet, Hilfe zur Pflege in Höhe des gesamten Bedarfes zu leisten. Nach mehreren Umzügen im Vorfeld und angesichts seiner Demenz würde ein erneuter Umzug zu weiterer Verwirrung führen und ihn...