Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an den Anordnungsgrund im einstweiligen Rechtsschutz
Orientierungssatz
1. Der für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB 2 erforderliche Anordnungsgrund ist nicht glaubhaft gemacht, wenn der Antragsteller durch eigenes Verhalten im gerichtlichen Verfahren erkennen lässt, dass ihm an einer alsbaldigen Entscheidung nicht gelegen ist. Dann fehlt das für den einstweiligen Rechtsschutz erforderliche besondere Eilbedürfnis.
2. Ob Barvermögen aus einer Erbschaft als Einkommen nach § 11 SGB 2 oder als Vermögen nach § 12 SGB 2 zu behandeln ist, ist in der Rechtsprechung umstritten. BSG und BVerwG haben in Entscheidungen des Jahres 2005 eine Erbschaft als Vermögen angesehen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 09.01.2007 geändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Kosten haben die Beteiligten einander für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten, ob dem Antragsteller Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab Januar 2007 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes vorläufig zu gewähren ist.
Der am 00.00.1964 geborene Antragsteller bezog von der Antragsgegnerin bis Ende 2006 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe der monatlichen Regelleistung von 345,00 EUR. Am 01.12.2006 beantragte er die Fortzahlung dieser Leistungen. Er legte dabei ein Anwaltsschreiben vom 22.11.2006 vor; daraus geht hervor, dass für den Antragsteller ein Betrag von 2.732,70 EUR aus Erbschaft auf ein von ihm benanntes Konto überwiesen wurde. Einladungen der Antragsgegnerin zur Vorsprache zwecks Besprechung der Erbschaft zum 06. bzw. 14.12.2006 kam der Antragsteller nicht nach. Mit Bescheid vom 29.12.2006 lehnte die Antragsgegnerin die Fortzahlung der Leistungen ab Januar 2007 mangels Hilfebedürftigkeit ab. Der Antragsteller müsse seine Erbschaft für seinen Lebensunterhalt einsetzen. Bei einem festgestellten monatlichen Bedarf von 345,00 EUR ergebe sich, dass er für rund acht Monate den monatlichen Fehlbedarf durch Vermögensverwertung selbst zu decken habe. Ein Anspruch auf Gewährung von Arbeitslosengeld II bestehe deshalb nicht. Wegen der Einzelheiten wird auf den Bescheid vom 29.12.2006 Bezug genommen.
Am 28.12.2006 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Aachen beantragt,
die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, ihm ab Januar 2007 weiterhin Leistungen nach dem SGB II zu zahlen.
Er hat vorgetragen, ihm sei bei einer Vorsprache am 22.12.2006 eröffnet worden, dass die Leistungen eingestellt würden. Außerdem habe man ihm mitgeteilt, er müsse 400,00 EUR zurückzahlen und sich freiwillig gegen Krankheit versichern. In früheren Gesprächen habe er dem Sachbearbeiter von der erwarteten Erbschaft erzählt. Man habe ihm seinerzeit erklärt, es handele sich insoweit um Schonvermögen, um das er sich keine Sorgen machen müsse. Hierauf vertrauend habe er von der Erbschaft Schulden beglichen, Anschaffungen (Kleidung, Fahrrad, Handy) getätigt und eine Urlaubsreise gemacht. Nun stehe er ohne einen Cent dar. Der Antragsteller hat eine Bescheinigung eines Herrn N T vorgelegt, wonach er diesem für die Zeit, in der er bei ihm gewohnt habe, für Strom, Wasser usw. 300,00 EUR aus seiner Erbschaft gezahlt habe. Außerdem hat der Antragsteller eine Bestätigung seiner Mutter vorgelegt, dass sie von ihm 200,00 EUR zum Ausgleich des überzogenen Kontos und weitere 300,00 EUR aus der Erbschaft erhalten habe. Der Antragsteller hat ferner eine Bescheinigung einer Frau N S vorgelegt, wonach er ihr 300,00 EUR für eine Couchgarnitur und einen Wohnzimmerschrank bezahlt habe. Zusätzlich hat er Rechnungen des Versandhauses Klingel über 46,46 EUR für Bettwäsche und 61,66 EUR für Gardinen sowie des Media Marktes über 39,00 EUR für ein Handy vorgelegt. Er hat eidesstattlich versichert, dass er neben den belegten Ausgaben ca. 420,00 EUR für Taxifahrten von Aachen nach Heinsberg ausgegeben habe. Er hat vorgetragen, er habe bei drei Bordellbesuchen, zu denen er seinen Bruder eingeladen habe, insgesamt 1.100,00 EUR ausgegeben.
Die Antragsgegnerin hat demgegenüber die Ansicht vertreten, einmalige Zahlungen wie die Erbschaft seien nach § 2 Abs. 3 Satz 3 der Alg II-VO auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen und monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag abzusetzen. Für eine Überführung des Einkommens in Vermögen sei deshalb kein Raum. Es sei unmissverständlich bestimmt, das der Einkommenszufluss für eine angemessene Dauer zur Anrechnung und ggf. zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit führe. Über eine Rückforderung möglicherweise für Dezember 2006 zu Unrecht erbrachter Leistungen sei noch nicht entschieden worden. Die vom Antragsteller behauptete Auskunft eines Sachbearbeiters, die Erbschaft stelle Schonvermögen des Antragstellers dar und sei leistungsrechtlich unbeachtlich, werde ausdrückli...