Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. Versäumung der Beschwerdefrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. fehlendes Verschulden. Vermutung bei fehlerhafter Rechtsbehelfsbelehrung. keine Ursächlichkeit bei vorhandener Kenntnis über Rechtsmittel. Verjährung des Vergütungsanspruchs. Fälligkeitszeitpunkt
Orientierungssatz
1. Eine fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung ist dann nicht für die Fristversäumnis iS von § 33 Abs 5 S 2 RVG ursächlich, wenn der Beteiligte wegen vorhandener Kenntnis über seine Rechtsmittel keiner Unterstützung durch eine Rechtsmittelbelehrung bedarf; dies ist bei einem anwaltlich vertretenen Beteiligten ebenso wie bei Behörden, die ein gerichtliches Verfahren in einem zugewiesenen Aufgabenkreis führen, regelmäßig der Fall (vgl BGH vom 27.2.2013 - XII ZB 6/13 = MDR 2013, 929).
2. Die Verjährung des Vergütungsanspruchs eines beigeordneten Rechtsanwalts gegen die Staatskasse richtet sich grundsätzlich nach den Verjährungsvorschriften des BGB und unterliegt damit der dreijährigen Verjährungsfrist nach §§ 195, 199 BGB (vgl OLG Düsseldorf vom 17.1.2008 - II-8 WF 301/07 = MDR 2008, 947).
3. Der Rechtszug ist iS des § 8 Abs 1 S 2 RVG mit der Verkündung der Entscheidung und nicht erst mit ihrer Zustellung beendet. Die Anwaltsvergütung wird mit der Verkündung der Entscheidung bereits fällig.
Tenor
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom wird als unzulässig verworfen.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer begehrt die Festsetzung seiner Vergütung aus der Staatskasse.
Der Klägerin wurde im Verfahren S 21 (23) AS 385/08 Prozesskostenhilfe bewilligt und der Beschwerdeführer beigeordnet. Mit Urteil vom 13.12.2013 wies das Sozialgericht Düsseldorf die Klage rechtskräftig ab.
Mit Schreiben vom 18.12.2017, eingegangen bei Gericht am 20.12.2017, hat der Beschwerdeführer die Festsetzung seiner Vergütung für das Verfahren S 21 (23) AS 385/08 aus der Staatskasse i.H. v. insgesamt 510,75 EUR beantragt. Er hat ausgeführt, dass die Zustellung des Urteils unter dem 08.01.2014 erfolgt sei. Der Zugang sei bei ihm am 13.01.2014 erfolgt. Innerhalb der Rechtsmittelfrist sei eine interne Abstimmung zwischen ihm und der Klägerin erfolgt, ob das Urteil mit der Berufung angegriffen werden solle oder nicht. Erst mit der Entscheidung, von der Einlegung eines Rechtsmittels abzusehen, sei die Angelegenheit in der Hauptsache beendet gewesen. Nach § 52 Abs. 5 S. 1 RVG beginne die Verjährungsfrist erst mit dem Eintritt der Rechtskraft der Entscheidung zu laufen.
Der Beschwerdegegner hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Mit Beschluss vom 12.06.2018 hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Festsetzungsantrag abgelehnt.
Hiergegen hat der Beschwerdeführer Erinnerung eingelegt. Ergänzend hat er vorgetragen, dass für sozialgerichtliche Verfahren, in denen Betragsrahmengebühren entstünden, nicht der Zeitpunkt der mündlichen Verkündung des Urteils bereits die Entstehung des Gebührenanspruchs nach sich ziehe und damit auch nicht die Verjährung in Gang setze. Das sozialgerichtliche Verfahren sei dadurch geprägt, dass Urteile zum Teil mündlich verkündet würden, häufig aber auch schriftlich. Werde das Urteil mündlich verkündet, werde häufig noch die folgende schriftliche Urteilsbegründung verwiesen. Die Rechtsmittelfrist beginne immer erst mit der Zustellung des schriftlichen Urteils. Dieser Umstand lege es nahe, im Sozialrecht als maßgeblichen Anknüpfungspunkt für die Beendigung des Verfahrens die Zustellung des Urteils anzusehen. Hinzu komme, dass in diesem Verfahren in aller Regel Betragsrahmengebühren entständen, für deren Bemessung auch zeitlich nach der mündlichen Urteilsverkündung liegende anwaltliche Tätigkeiten noch Bedeutung haben könnte. Noch zur Vorinstanz gehörten die Besprechung des schriftlichen Urteils mit dem Mandanten, die Beratung, welche Rechtsmittel zulässig seien und ob diese eingelegt werden sollen. Dies führe dazu, dass sich die konkrete Gebührenhöhe zeitlich nach der mündlichen Urteilsverkündung noch verändern, nämlich erhöhen könne. Vorliegend sei nach Vorlage des schriftlichen Urteils und einer ausführlichen telefonischen Besprechung der Angelegenheit mit der Klägerin die Entscheidung getroffen worden, davon abzusehen, gegen das Urteil Berufung einzulegen.
Durch Beschluss vom 20.04.2020 hat das Sozialgericht Düsseldorf die Erinnerung zurückgewiesen. Auf die Gründe wird Bezug genommen. Dem Beschluss ist eine Rechtsmittelbelehrung beigefügt gewesen, wonach gegen diesen Beschluss binnen eines Monats nach Bekanntgabe Beschwerde bei dem Sozialgericht Düsseldorf schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werden könne. Die Beschwerdefrist sei auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt werde.
Gegen den am 28.04.2020 zugestellten ...