Entscheidungsstichwort (Thema)
Vom Grundsicherungsträger zu übernehmender Mehrbedarf zur Ausübung des Umgangsrechts
Orientierungssatz
1. Nach § 21 Abs. 6 SGB 2 wird bei Leistungsberechtigten nach dem SGB 2 ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Hierzu zählen u. a. die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern.
2. Die Kosten des Umgangsrechts müssen sich in einem Bereich bewegen, der den Einsatz öffentlicher Mittel noch rechtfertigt. Das gilt insbesondere für die anfallenden Fahrkosten. Hinsichtlich des Umfangs der zu übernehmenden Fahrkosten ist u. a. die zur Ausübung des Umgangsrechts vor dem Familiengericht getroffene Regelung maßgeblich. Als Vergleichsmaßstab können die Kosten angesehen werden, die ein erwerbstätiger Umgangsverpflichteter ohne Bezug von Sozialleistungen einsetzen würde, vgl. LSG Mainz, Beschluss vom 24. November 2010 - L 1 SO 133/10 B ER.
Tenor
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 17.02.2012 wird zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
Die zulässige Beschwerde des Antragsgegners ist unbegründet.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sind einstweilige Anordnungen auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig erscheint (Regelungsanordnung). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung setzt das Bestehen eines Anordnungsanspruches, d. h. des materiellen Anspruchs, für den vorläufiger Rechtsschutz begehrt wird, sowie das Vorliegen eines Anordnungsgrundes, d. h. die Unzumutbarkeit voraus, bei Abwägung aller betroffenen Interessen die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten. Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung eines effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12.05.2005 -1 BvR 569/05, BVerfGK 5,237 = NVwZ 2005, Seite 927).
Das Sozialgericht (SG) hat zu Recht den Antragsgegner verpflichtet, dem Antragsteller vorläufig für den Zeitraum von Februar 2012 bis Mai 2012 die ihm tatsächlich entstandenen Fahrkosten vom L nach N zur Wahrnehmung seines 14-tägigen Umgangsrechtes mit der Tochter C auf Nachweis monatlich zu erstatten. Es handelt sich um Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechtes. Anspruchsgrundlage ist § 21 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Danach wird bei Leistungsberechtigten ein Mehrbedarf anerkannt, soweit im Einzelfall ein unabweisbarer, laufender, nicht nur einmaliger besonderer Bedarf besteht. Der Mehrbedarf ist unabweisbar, wenn er insbesondere nicht durch die Zuwendungen Dritter sowie unter Berücksichtigung von Einsparmöglichkeiten der Leistungsberechtigten gedeckt ist und seiner Höhe nach erheblich von einem durchschnittlichen Bedarf abweicht. Damit setzt der Gesetzgeber das Urteil des Bundesverfassungsgerichts um und normiert die geforderte Härtefallregelung (BVerfG, Urteil vom 09.02.2010 -1 BvL 1, 3, 4/09 S. 72 ff.). Dabei führt der Gesetzgeber als möglichen Anwendungsfall für die Härtefallklausel u.a. die Kosten zur Wahrnehmung des Umgangsrechts bei getrennt lebenden Eltern auf (BT-Dr. 17/1464, S. 8f.). Der Antragsteller hat sowohl einen Anordnungsanspruch als auch einen Anordnungsgrund hinreichend glaubhaft gemacht. Zur Begründung verweist der Senat insoweit auf die zutreffenden Ausführungen des SG im angegriffenen Beschluss, die er sich nach Prüfung zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG).
Ergänzend betont der Senat, dass entgegen der Auffassung des Antragsgegners keinesfalls "die ausufernde Auslegung des SG auf ein angemessenes Maß reduziert werden muss" und der Mehrbedarf, d.h. die Fahrtkosten nicht für ein 14-tägiges, sondern für ein monatliches Umgangsrecht vorläufig zu gewähren sind. Die Übernahme der Fahrtkosten ist auch in dem vom SG tenorierten Umfang, d.h. für Fahrten alle zwei Wochen zutreffend einstweilen festgesetzt worden. Die Weisungen der Bundesagentur für Arbeit zur Erstattung der Kosten für die Wahrnehmung des Umgangsrechts und die Festlegung des Mehrbedarfs seitens des Antragsgegners "in diesem außergewöhnlichen Fall auf den monatlichen Betrag von 106,80 EUR" und der Hinweis, dass damit der verfassungsrechtlich gebotene Schutz des Umgangsrechts gewährleistet und das Lohnabstandsgebot gewahrt werde, rechtfertigen keine vom SG abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage. Denn zum einen sind die internen Weisungen für den Senat nicht bindend. Zum anderen e...