Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialversicherungsrecht: Beitragsnachforderung nach Betriebsprüfung. Anforderung an die Zulässigkeit des Erlasses eines Summenbescheides
Orientierungssatz
Einen Summenbescheid zur Geltendmachung nicht vollständig erfolgter Sozialversicherungsbeiträge kann die Rentenversicherung als Einzugsstelle nicht schon dann erlassen, wenn eine Verletzung der Aufzeichnungspflicht festgestellt wurde. Er ist lediglich ausnahmsweise dann zulässig, wenn eine personenbezogene Feststellung nur mit unverhältnismäßig großem Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann. Dabei hat der Rentenversicherungsträger indes in jedem Fall im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht auf die Befolgung der dem Arbeitgeber obliegenden Mitwirkungspflicht zu drängen, um eine personenbezogene Feststellung zu ermöglichen.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 11.1.2016 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor der angefochtenen Entscheidung wie folgt gefasst wird: Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.12.2014 wird angeordnet.
Die Antragsgegnerin hat auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.678,41 EUR festgesetzt.
Gründe
Die zulässige, insbesondere statthafte (§ 172 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz [SGG]) sowie form- und fristgerecht (§ 173 Satz 1, § 64 Abs. 1, Abs. 2, § 63 SGG) am 26.1.2016 schriftlich eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den ihr am 14.1.2016 zugestellten Beschluss des Sozialgerichts (SG) Duisburg vom 11.1.2016 ist nicht begründet. Das SG hat den Bescheid der Antragsgegnerin vom 11.12.2014 im Ergebnis zu Recht außer Vollzug gesetzt.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, diese ganz oder teilweise anordnen. Die aufschiebende Wirkung entfällt gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG bei Entscheidungen über Beitragspflichten und die Anforderung von Beiträgen sowie der darauf entfallenden Nebenkosten einschließlich der Säumniszuschläge (vgl. zu Letzteren: Senat, Beschluss v. 7.1.2011, L 8 R 864/10 B ER, NZS 2011, 906; Beschluss v. 9.1.2013, L 8 R 406/12 B ER; Beschluss v. 27.6.2013, L 8 R 114/13 B ER; Beschluss v. 11.3.2016, L 8 R 506/14 B ER, jeweils juris). Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung ausnahmsweise durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Suspensivinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
Da § 86a Abs. 2 Nr. 1 SGG das Vollzugsrisiko bei Beitragsbescheiden grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Suspensivinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Hierfür reicht es nicht schon aus, dass im Rechtsbehelfsverfahren möglicherweise noch ergänzende Tatsachenfeststellungen zu treffen sind. Maßgebend ist vielmehr, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (vgl. Senat, Beschluss v. 7.1.2011, a.a.O.; Beschluss v. 10.1.2012, L 8 R 774/11 B ER; Beschluss v. 10.5.2012, L 8 R 164/12 B ER; Beschluss v. 9.1.2013, a.a.O.; Beschluss v. 27.6.2013, a.a.O.; Beschluss v. 11.3.2016, a.a.O., jeweils juris).
Nach dieser Maßgabe hat das SG die aufschiebende Wirkung des Anfechtungswiderspruchs gegen den Bescheid vom 11.12.2014 im Ergebnis zu Recht angeordnet.
1. Ermächtigungsgrundlage für den angefochtenen Bescheid ist § 28p Abs. 1 Satz 5 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Nach dieser Vorschrift erlassen die Träger der gesetzlichen Rentenversicherung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege-, und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung gegenüber den Arbeitgebern. Diese Vorschrift ermächtigt auch zur Erhebung von Säumniszuschlägen gemäß § 24 SGB IV (u.a. Senat, Beschluss v. 20.1.2015, L 8 R 70/14 B ER; im Einzelnen hierzu Scheer, in: jurisPK-SGB IV, 3. Aufl. 2016, § 28p Rdnr. 213).
2. Ob der Antragsteller vor dem Erlass des Bescheides vom 11.12.2014 nach Maßgabe des § 24 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ordnungsgemäß angehört worden ist, bedarf im vorliegenden Verfahren vorläufigen Rechtsschutzes keiner abschließenden Beurteilung durch den Senat. Insofern bestehen derzeit allerdings Bedenken, da ein dem Zweck der Anhörung dienendes Schr...