Entscheidungsstichwort (Thema)

Notwendigkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts als Voraussetzung einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe

 

Orientierungssatz

1. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt u. a. voraus, dass die Beiordnung eines Rechtsanwalts erforderlich ist. Das ist dann der Fall, wenn die Sach- und Rechtslage schwierig ist oder ein Beteiligter nicht in der Lage ist, seine Rechte angemessen wahrzunehmen.

2. Durch eine in einer Rechtssache bereits gewährte anwaltliche Beratung und Prozessführung ist der Antragsteller in die Lage versetzt, seine rechtliche Situation auch in Parallelfällen hinreichend zu beurteilen. Die Verweisung auf Selbsthilfe stellt dann keine unverhältnismäßige Einschränkung der Rechtswahrnehmung dar, weil ein kostenbewußter Bemittelter das aufgrund der Erstberatung vorhandene Wissen selbständig auf die späteren Fälle übertragen würde.

3. Ist darüber hinaus zu derselben Rechtsfrage in der Revisionsinstanz bereits ein sog. Musterverfahren anhängig, so ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts nicht erforderlich. Es reicht aus verfassungsrechtlicher Sicht aus, wenn dem Betroffenen nach Ergehen der sog. Musterentscheidung noch alle prozessualen Möglichkeiten offenstehen, umfassenden gerichtlichen Schutz zu erlangen. Zur Frage der Verfassungsmäßigkeit der Regelleistungen sind beim BSG mehrere Revisionen anhängig, vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. November 2009 - 1 BvR 2455/08.

4. Vor einem solchen Hintergrund ist es einem Kläger zum Zeitpunkt der Klageerhebung zuzumuten, das Betreiben des eigenen Verfahrens zurückzustellen und zu beantragen, das Ruhen des Verfahrens anzuordnen.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 03.05.2012 abgeändert. Den Klägern wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt. Die Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten ist nicht erforderlich.

 

Gründe

I.

Die Kläger wenden sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe.

Die Kläger stehen im Bezug von Leistungen nach dem Zweiten Buch des Sozialgesetzbuches - Grundsicherung für Arbeitsuchendes - (SGB II).

Mit Bescheid vom 22.11.2010, geändert durch Bescheid vom 26.03.2011, bewilligte die Rechtsvorgängerin des Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagter) den Klägern Leistungen für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011. Die Bescheide wurden bestandskräftig. Am 16.05.2011 erging bezüglich dieses Zeitraums ein weiterer Änderungsbescheid sowie ein separater Leistungsbescheid betreffend den Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2011. Am 21.06.2011 stellten die Kläger Anträge nach § 44 des Zehnten Buch des Sozialgesetzbuches - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) betreffend die Bescheide vom 22.11.2010 und 26.03.2011 und legten Widerspruch gegen den Bewilligungsbescheid vom 16.05.2011 ein. Mit Bescheid vom 27.06.2011 lehnte der Beklagte den Antrag auf Überprüfung der Bescheide ab. Hiergegen legten die Kläger am 29.06.2011 Widerspruch ein. Mit Schreiben vom 30.06.2011 wies der Beklagte darauf hin, dass er davon ausgehe, der Widerspruch gegen den "Bewilligungsbescheid" vom 16.05.2011 beziehe sich auf den Zeitraum vom 01.07.2011 bis 31.12.2011.

Am 12.07.2011 erging ein Änderungsbescheid zum Bescheid vom 16.05.2011 betreffend den Zeitraum vom 01.08.2011 bis 31.12.2011. Am 01.08.2011 ergingen weitere Änderungsbescheide betreffend Juni und Juli 2011 wegen in dieser Zeit erzielten Einkommens. Gegen den Bescheid vom 12.07.2011 und die Änderungsbescheide vom 01.08.2011 legten die Kläger Widerspruch ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 07.10.2011 entschied die Widerspruchsstelle des Beklagten über den Widerspruch betreffend den Bescheid vom 27.06.2011 (Ablehnung der Überprüfung der Leistungsbewilligung für den Zeitraum vom 01.01.2011 bis 30.06.2011) und den Widerspruch gegen den Bescheid vom 01.08.2011 betreffend die Absenkung der Leistungsbewilligung für den Monat Juni 2011.

Am 02.11.2011 haben die Kläger Klage erhoben und beantragt, den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 27.06.2011 und 01.08.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 07.10.2011 zu verurteilen, den Klägern die ihnen nach den gesetzlichen Bestimmungen des SGB II zustehenden Leistungen zu bewilligen. Zur Begründung haben sie wiederum ausgeführt die Regelungen über die Höhe der Leistungen sei für die Zeit ab dem 01.01.2011 verfassungswidrig. Darüber hinaus haben sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T beantragt.

Mit Beschluss vom 03.05.2012, den Klägern nach eigenen Angaben zugestellt am 14.05.2012, hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung von Rechtsanwalt T, J, abgelehnt. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.

Hiergegen haben die Kläger am 15.05.2012 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verweisen sie erneut darauf, dass die Höhe der Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab dem 01.01.2011 aus verfassungsrechtlichen Gründen zu niedrig sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sa...

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