Entscheidungsstichwort (Thema)
Auferlegung von Verschuldenskosten wegen missbräuchlicher Rechtsverfolgung
Leitsatz (amtlich)
1. Nach Rücknahme der Klage im Berufungsverfahren entscheidet das LSG über eine vom Sozialgericht erfolgte Auferlegung von Verschuldenskosten durch Beschluss.
2. Die Entscheidung ergeht in der Besetzung durch drei Berufsrichter. § 155 Abs. 4 i.V.m. Abs. 2 Nr. 5 SGG (Berichterstatterentscheidung) findet keine Anwendung. Maßgeblich ist insoweit nicht die gesetzliche Qualifizierung in § 193 Abs. 3 Satz 2 SGG als “Kostenentscheidung„, sondern diejenige als Entscheidung “im Rechtsmittelverfahren„.
Orientierungssatz
1. Das Gericht kann nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG einem Beteiligten Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung dargelegt und er auf die Möglichkeit der Auferlegung von Kosten bei Fortführung des Rechtsstreits hingewiesen worden ist.
2. Allein die Aussichtslosigkeit der Rechtsverfolgung als solche genügt nicht. Hinzu kommen müssen weitere Umstände, welche die Rechtsverfolgung im Einzelfall missbräuchlich erscheinen lassen. Dies ist dann anzunehmen, wenn das Klagebegehren offensichtlich unzulässig oder unbegründet ist und seine Weiterverfolgung von jedem Einsichtigen als völlig aussichtslos angesehen werden muss.
3. Wird eine streitentscheidende Rechtsfrage von der Rechtsprechung nicht eindeutig beantwortet, sondern existieren hierzu kontroverse Entscheidungen, so ist eine weitere Rechtsverfolgung nicht missbräuchlich, mit der Folge, dass Verschuldenskosten nicht festzusetzen sind.
Tenor
Die Auferlegung von Verschuldenskosten i.H.v. 150,00 EUR in dem Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Detmold vom 18.12.2013 wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die Kläger begehren die Aufhebung einer Entscheidung des Sozialgerichts über die Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 SGG.
Die Kläger, eine aus dem Kosovo stammende Familie (Eltern und zwei minderjährige Kinder), begehrten von der Beklagten im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 SGB X die nachträgliche Gewährung von Analogleistungen nach § 2 AsylbLG anstelle und unter Anrechnung erbrachter Grundleistungen nach § 3 AsylbLG für den Zeitraum von Januar 2005 bis Oktober 2007.
Nach dem Ausscheiden aus dem Leistungsbezug nach dem AsylbLG (zum 01.11.2007) bezog die Familie zunächst Leistungen nach dem SGB II. Später nahm der Kläger zu 1 eine Erwerbstätigkeit auf. Die Familienkasse I gewährte für verschiedene Zeiträume (u.a. ab November 2008 und seit 2011) Kinderzuschlag nach § 6a Abs. 1 Nr. 4 BKGG, die Beklagte Mietzuschuss nach dem WoGG; in diesen Zeiträumen war keiner der Kläger (mehr) bedürftig nach den Vorschriften des SGB II, des SGB XII oder des AsylbLG.
Den am 05.03.2008 für die Zeit ab dem 01.01.2004 gestellten Überprüfungsantrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 30.07.2009 und Widerspruchsbescheid vom 11.01.2011 für die Zeit von Januar 2005 bis Oktober 2007 ab (für 2004 siehe das weitere Verfahren L 20 AY 8/14). Die Kläger hätten ihren Aufenthalt in Deutschland rechtsmissbräuchlich verlängert. Im nachfolgenden Klageverfahren vor dem Sozialgericht Detmold (Klageerhebung am 31.01.2011) kam die Frage auf, ob die nachträgliche Gewährung höherer Leistungen nach § 44 SGB X schon deshalb ausscheide, weil zwischenzeitlich die Bedürftigkeit der Kläger weggefallen sei. Vom 17.09.2012 bis zum 29.05.2013 ruhte das Verfahren mit Blick auf das Revisionsverfahren B 7 AY 4/11. Im Anschluss an das dortige Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 20.12.2012 trugen die Kläger im fortgeführten Verfahren vor dem Sozialgericht vor, ihre Bedürftigkeit sei auch in Ansehung der Entscheidung des BSG nicht als zwischenzeitlich weggefallen anzusehen; insbesondere der Bezug von Leistungen nach dem WoGG zeige, dass sie durchgehend auf existenzsichernde Leistungen angewiesen seien.
Mit Schreiben vom 07.10.2013 wies das Sozialgericht die Beteiligten darauf hin, mit dem Urteil des BSG vom 20.12.2012 - B 7 AY 4/11 R sei höchstrichterlich geklärt, dass im Zugunstenverfahren nach § 44 SGB X Leistungen nur dann nachträglich zu erbringen seien, wenn die Bedürftigkeit nicht zwischenzeitlich entfallen sei. Das BSG habe bereits in einem früheren Urteil vom 29.09.2009 - B 8 SO 16/08 R (Rn. 19) ausgeführt, dass nur bei durchgehender Bedürftigkeit im Sinne des SGB II bzw. des SGB XII eine nachträgliche Leistungsgewährung nach § 44 SGB X in Betracht komme. Da sich die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, dem SGB XII bzw. dem AsylbLG und die Gewährung von Leistungen nach dem WoGG regelmäßig gegenseitig ausschlössen, sei davon auszugehen, dass die Bedürftigkeit der Kläger jedenfalls in der Zeit vom 01.11.2008 bis zum 30.11.2009 entfallen sei und deshalb eine nachträgliche Leistungsgewährung ausscheide. Sofern die Klage nicht zurückgenommen werde, beabsichtige das Gericht eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid. Da die streitige Rechtsfra...