Entscheidungsstichwort (Thema)
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Verschulden von Hilfspersonen. Leerung des Briefkastens durch Ehefrau
Orientierungssatz
1. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich einer Verfahrensfrist setzt voraus, dass der Betroffene ohne Verschulden gehindert war, die Frist einzuhalten. § 67 SGG spricht seinem Wortlaut nach nur vom Verschulden des Antragstellers (selbst). Nach allgemeiner Meinung und auch nach Auffassung des erkennenden Senats schließt dies das Eintreten für das Verschulden von Hilfspersonen im Einzelfall nicht aus.
2. Überlässt der Antragsteller die Leerung des Briefkastens uneingeschränkt seiner Ehefrau und legt diese ihm den in den Briefkasten gelangten Widerspruchsbescheid erst nach Ablauf der Klagefrist vor, muss er sich das Verschulden seiner Ehefrau grundsätzlich als eigenes Verschulden zurechnen lassen (Vergleiche LSG Essen, Beschluss vom 9. Februar 2006 - L 7 VU 28/05 - und LSG Stuttgart, Beschluss vom 24. Juni 1999 - L 12 AL 1998/98 -).
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Dortmund vom 20. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
Die Beschwerde des Klägers gegen den ihm Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 67 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG))) verweigernden Beschluss des SG ist unbegründet. Es kann offen bleiben, ob ohne weitere Erläuterungen als glaubhaft betrachtet werden kann, was der Kläger vorträgt und seine Ehefrau an Eides statt versichert, daß grundsätzlich sie allein den gemeinschaftlichen, auch geschäftlich genutzten Briefkasten der Eheleute leert und ihrem Ehemann den von diesem am 11.10.2006 mit der Klage angefochtenen, am 25.8.2006 in eben jenen Briefkasten gelangten Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 23.8.2006 versehentlich erst nach mehr als einem weiteren Monat, nämlich am 4.10.2006, vorgelegt hat. Offen bleiben kann auch, ob dem SG darin gefolgt werden könnte, daß es dem Kläger als Verschulden an der Versäumnis der Klagefrist zuzurechnen sei, daß er es versäumt habe, nach der Zustellung eines Widerspruchsbescheides zu forschen, nachdem er gegen die Feststellung der Beendigung seiner freiwilligen Mitgliedschaft wegen Zahlungsverzugs Widerspruch eingelegt gehabt habe und im Hinblick auf die Dreimonatsfrist aus § 88 SGG mit einer zügigen Entscheidung der Kasse zu rechnen gewesen sei. Der Kläger muß sich nämlich hier das Verschulden seiner Ehefrau grundsätzlich als eigenes Verschulden zurechnen lassen, nachdem er es dieser überlassen hat, seine Post für ihn entgegenzunehmen (so im Ergebnis auch LSG NW Beschl.v. 9.2.2006 L 7 VU 28/05 für den Fall der verspäteten Weiterleitung durch die geschiedene Ehefrau und LSG Bad.-W. Beschl.v. 24.06.1999 L 12 AL 1998/98 für den Fall der verspäteten Weiterleitung durch den 9-jährigen Sohn). § 67 SGG spricht zwar seinem Wortlaut nach nur vom Verschulden des Antragstellers (selbst); nach allgemeiner Meinung und auch nach Auffassung des erkennenden Senats schließt dies aber das Eintreten für das Verschulden von Hilfspersonen im Einzelfall nicht aus (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, 4. Aufl. 32. Nachtrag, S. 221 ff). Dabei kommt es nicht darauf an, ob man das hier vorliegende Verschulden als Organisationsverschulden oder als Eintreten des Antragstellers für das Verschulden eines Bevollmächtigten oder Vertreters begreift (vgl. Meyer-Ladewig pp, 8. Aufl., Rdn. 3f zu § 67 SGG). Eine andere Betrachtung hätte vielleicht dann geboten sein können, wäre dem Kläger der Widerspruchsbescheid im Wege der Ersatzzustellung an seine Ehefrau als andere Person zugestellt worden (§ 178 Abs 1 Nr 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO)). Der streitige Bescheid ist dem Kläger aber im Wege der Ersatzzustellung durch Einlegen in seinen (eigenen) Briefkasten zugestellt worden (§ 180 ZPO). Wenn er dessen Leerung uneingeschränkt seiner Ehefrau überläßt, kann es auf die Gründe, die zu deren tatsächlichem oder angeblichen Versehen geführt haben, nicht mehr ankommen.
Die Beschwerde zum Bundessozialgericht ist nicht gegeben (§ 177 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)).
Fundstellen