Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an das Rechtschutzbedürfnis und den Anordnungsgrund zur Bewilligung von einstweiligem Rechtschutz
Orientierungssatz
1. Das für den Erlass einer einstweiligen Anordnung erforderliche Rechtschutzbedürfnis ist nur dann gegeben, wenn die begehrte gerichtliche Entscheidung dem Antragsteller einen tatsächlichen oder rechtlichen Vorteil bringt. Bei einem gestellten Eilantrag, die Krankenkasse vorläufig zu verpflichten, die Kosten für das Erlernen der Gebärdensprache "in gesetzlicher Höhe" zu übernehmen, bleibt offen, in welchem Umfang und für welche Laufzeit Kosten zu übernehmen sind. Damit wäre dem Antragsteller nicht geholfen, mit der Folge, dass es einem so gestellten Antrag an dem notwendigen Rechtschutzbedürfnis fehlt.
2. Darüber hinaus fehlt es an dem für den einstweiligen Rechtschutz erforderlichen Anordnungsgrund, wenn die unterhaltspflichtigen Eltern des Antragstellers über ausreichende Mittel verfügen, die Kosten des Gebärdensprachkurses bis zur Entscheidung des Gerichts im Hauptsacheverfahren zu übernehmen.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 14.09.2017 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im zweiten Rechtszug nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Übernahme der Kosten für das Erlernen der Gebärdensprache durch den Antragsteller im Rahmen eines Hausgebärdensprachkurses.
Der am 00.00.2011 geborene Antragsteller ist von Geburt an gehörlos. Er wurde im Juli 2012 mit einem Cochlear-Implantat (CI) versorgt. Seither wird er durch das Cochlear-Implantat-Centrum der HNO-Universitätsklinik L, die Kinderärztin Dr. P sowie - im Rahmen einer heilpädagogischen Frühförderung für eine Stunde/Woche im Bereich "Hören und Kommunikation" - die Sonderschullehrerin S betreut. Im März 2016 stellten die Therapeuten des Cochlear-Implantat-Centrums L fest, dass beim Antragsteller bei einem Lebensalter von 4,9 Jahren ein Höralter mit CI von ca. 3,1 Jahren bestehe und die Artikulation auffällig sei. Aufgrund der Diskrepanz zwischen dem Sprachentwicklungsalter einerseits und dem Lebensalter andererseits könne über weitere sprachtherapeutische Maßnahmen nachgedacht werden (Bericht vom 03.03.2016).
Am 19.08.2016 beantragte der Antragsteller beim Sozialamt der Stadt N, ihm im Wege der Eingliederungshilfe im familiären Umfeld an die Grundlagen der Gebärdensprache heranzuführen. Auf diese Weise könnte er ohne Einschränkungen kommunizieren. Das würde wiederum helfen, ihm den mühsamen und wichtigen Weg zur Lautsprache zu ebnen. Dem Antrag fügte der Antragsteller eine Stellungnahme der behandelnden Ärztin Dr. P vom 30.05.2016 bei; danach leidet er trotz Versorgung mit CI-Implantaten im Jahre 2012 und "trotz intensiver Fördermaßnahmen" noch unter erheblichen Kommunikationsproblemen, so dass "dringend das Erlernen der Gebärdensprache zur Abwendung einer Verschlechterung seiner Behinderung" empfohlen werde. Weiter fügte er eine Stellungnahme der Sonderschullehrerin S vom 12.06.2016 bei, die einen Hausgebärdenkurs für "unbedingt notwendig" hielt. Wenn der Antragsteller die CIs nicht tragen könne (z.B. beim Duschen, im Schwimmbad, nach dem Zubettgehen, aufgrund einer Entzündung der Ohren oder bei Defekt des Sprachprozessors), dann könne er derzeit nicht mittels Lautsprache angesprochen werden. Es gebe somit "im Familienalltag viele Situationen", in denen der Antragsteller auf Gebärden angewiesen sei; es sei daher für ihn und die Eltern unabdingbar, die deutsche Gebärdensprache zu erlernen. Trotz Versorgung des Antragstellers mit CI-Implantaten bereits im Jahr 2012 sei deren Optimierung erst spät erfolgt. So sei der Antragsteller beim Erwerb der Lautsprache "sehr deutlich verzögert". Nach neueren Erkenntnissen der Spracherwerbsforschung könnten Kenntnisse in der Gebärdensprache dem Antragsteller helfen, die Lautsprache zu lernen und seinen Wortschatz zu erweitern.
Diesen Antrag leitete das Sozialamt noch am selben Tag an den S-Kreis O, Abteilung Eingliederungshilfe, und dieser am 29.08.2016 an die Antragsgegnerin als dem nach seiner Auffassung zuständigen Reha-Träger weiter. Nach anfänglichem Streit zwischen der Antragsgegnerin und dem S-Kreis O über die Zuständigkeit für den Antrag informierte die Antragsgegnerin unter dem 06.04.2017 den Antragsteller darüber, dass sie zur Prüfung des Antrags den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) einschalte. Dieser gelangte am 19.04.2017 zum Ergebnis, dass es sich beim beantragten Unterricht zum Erlernen der Gebärdensprache um eine Eingliederungshilfe gemäß dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) handele und im Rahmen der Frühförderung in die Zuständigkeit des Sozialhilfeträgers falle. "Eine medizinische oder eine rehabilitative Leistung" kämen nicht in Betracht. Daraufhin wandte sich die Antragsgegnerin am 20.04.2017 mit dem Ersuchen um Amtshilfe an den beigeladenen S-Kreis-O und teilte dies dem Antragsteller mit. Am 30.05.2017 übersandte der Antragsteller der Antragsgegnerin den Kostenvor...