Entscheidungsstichwort (Thema)
Entstehen der Erledigungsgebühr in einem sozialgerichtlichen Verfahren
Orientierungssatz
1. Auch eine umfangreiche Erörterung der Sach- und Rechtslage in einem 25-minütigen Termin beim Sozialgericht rechtfertigt nicht den Ansatz der Erledigungsgebühr. Diese anwaltliche Tätigkeit wird bereits mit der Terminsgebühr honoriert.
2. Sowohl die Annahme eines Anerkenntnisses als auch eine Klagerücknahmeerklärung oder eine andere Erledigterklärung ist regelmäßig keine über die normale Prozessführung hinaus gehende qualifizierte Mitwirkung des Rechtsanwalts an der Erledigung. Die Abgabe einer solchen Prozesserklärung wird mit der Verfahrensgebühr abgegolten.
Tenor
Die Beschwerde des Bevollmächtigten der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 10.08.2009 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gebührenfrei. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der im Rahmen von Prozesskostenhilfe aus der Landeskasse zu erstattenden Rechtsanwaltsvergütung nach dem Gesetz über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG) für ein Klageverfahren.
Mit ihrer am 18.08.2006 beim Sozialgericht (SG) Detmold erhobenen Klage begehrte die Klägerin die Feststellung der Nachteilsausgleiche "B" und "aG" nach dem Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX). Der Beklagte unterbreitete mit Schreiben vom 07.04.2009 einen "Regelungsvorschlag", in dem er sich bereit erklärte, die Merkzeichen "B" und "aG" ab Antragstellung festzustellen. Dieses Regelungsangebot nahm die Klägerin mit Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 27.04.2009 an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
Am 05.05.2009 hat der Beschwerdeführer eine Vergütungsfestsetzung in Höhe von 872,87 Euro beantragt. Aufgeführt waren eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3102 VV/RVG von 250 Euro, eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 VV/RVG von 200 Euro und eine Einigungs- oder Erledigungsgebühr gemäß Nr. 1006 VV/RVG von 190 Euro sowie eine Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV/RVG in Höhe von 20,00 Euro, Fahrtkosten gemäß Nr. 7003 VV/RVG in Höhe von 18,00 Euro, ein Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV/RVG in Höhe von 20,00 Euro sowie eine Dokumentenpauschale für 120 Ablichtungen in Höhe von 35,50 Euro, insgesamt netto 733,50 Euro, zzgl. 19 % MWSt 139,37 Euro.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat die Vergütung mit Beschluss vom 22.05.2009 auf 604,52 Euro festgesetzt. Die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 1a) VV/RVG könne nicht angesetzt werden, da im Beiordnungszeitraum ab Januar 2007 keine Akteneinsicht erfolgt sei. Für eine Erledigungs- oder Einigungsgebühr mangele es an einer besonderen, über das übliche Maß hinausgehenden Tätigkeit des Anwalts, die auf den Verfahrensabschluss ohne förmliche Entscheidung gerichtet gewesen sein müsse.
Mit Beschluss vom 10.08.2009 hat das SG die gegen diese Festsetzung gerichtete Erinnerung zurückgewiesen und auf die Gründe der Festsetzung Bezug genommen.
Der Bevollmächtigte der Antragstellerin hat gegen den ihm am 14.08.2009 zugestellten Beschluss am selben Tage Beschwerde eingelegt. Die Erörterung in einem Termin am 04.02.2009, bei der er wesentlich mitgewirkt habe, sei Voraussetzung für die Einholung einer weiteren versorgungsärztlichen Stellungnahme durch den Beklagten und den anschließenden Regelungsvorschlag gewesen. Entsprechend müsse die beantragte Erledigungsgebühr angesetzt werden. Auch die Gebühr für die Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 VV/RVG sei entstanden. Wenngleich bei der Akteneinsicht noch keine PKH bewilligt worden sei, so hätten die Voraussetzungen für die Bewilligung zu diesem Zeitpunkt bereits vorgelegen. Es sei auch nicht zumutbar, vor Akteneinsicht zunächst auf die Bewilligung von PKH zu warten, da dies rechtliche Nachteile für den Mandanten bewirken könne.
Der Bezirksrevisor als Vertreter der Staatskasse für die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit Nordrhein-Westfalen hat die Zurückweisung der Beschwerde beantragt. Die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), Urteil vom 07.11.2006 - B 1 KR 23/06 R und Urteil vom 02.10.2008 - B 9/9a SB 3/07 R sowie die weit überwiegende Meinung in der Literatur verlangten ein Mehr an anwaltlicher Mitwirkung für die Entstehung der Erledigungsgebühr als hier festzustellen sei. Ein Anspruch auf Kostenerstattung für die vom Beschwerdeführer gefertigten Kopien bestehe nicht.
Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten Bezug genommen. Dieser ist Gegenstand der Beratung gewesen.
II.
Über die Beschwerde entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern und nicht durch den Einzelrichter gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1, § 33 Abs. 8 Satz 1 HS. 2 RVG, auch wenn der Sache keine grundsätzliche Bedeutung zukommt. § 33 Abs. 8 Satz 1 HS. 2 RVG, wonach auch über die Beschwerde der Einzelrichter entscheidet, wenn die angefochtene Entscheidung von einem Einzelrichter erlassen worden ist, findet im sozialgerichtlichen Verfahren keine Anwendung, selbst wenn die an...