Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsteller wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 06.06.2023 geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13.03.2023 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 02.03.2023 wird angeordnet.

Der Antragsgegner hat die Kosten der Antragsteller im erstinstanzlichen Verfahren und im Beschwerdeverfahren zu erstatten. Eine weitere Kostenerstattung findet nicht statt.

 

Gründe

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Antrag der Antragsteller auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs i.S.v. § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG gegen den Bescheid vom 02.03.2023, mit dem der Antragsgegner die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II ab dem 01.04.2023 nach § 45 SGB X aufgehoben hat.

Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antrag der Antragsteller, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 13.03.2023 gegen den Aufhebungsbescheid vom 02.03.2023 anzuordnen, abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen - wie hier gemäß § 39 Nr. 1 SGB II - Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 39 Nr. 1 SGB II das Vollzugsrisiko bei Bescheiden, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufheben bzw. zurückzunehmen, grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 14.02.2022 - L 7 AS 1828/21 B ER; vom 30.08.2018 - L 7 AS 1097/18 B ER und vom 02.03.2017 - L 7 AS 57/17 B ER; Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl., § 86b Rn. 12f ff. m.w.N.).

Hier geht die Interessenabwägung nach den vorstehenden Maßgaben zugunsten der Antragsteller aus. Nach summarischer Prüfung spricht mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des Bescheides vom 02.03.2023, der in Anbetracht der Vertretungsregelung des § 38 Abs. 1 Satz 1 SGB II sämtlichen Antragstellern bekanntgegeben worden ist.

Die in Betracht kommende Ermächtigungsgrundlage für die Rücknahme des Bescheides vom 24.02.2023 ist § 45 SGB X. Hiernach darf ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat (Nr. 2), oder er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat (Nr. 3).

Hier spricht bereits viel dafür, dass der vom Antragsgegner zurückgenommene Bescheid vom 24.02.2023 nicht rechtswidrig war. Maßgeblich hierfür ist, ob die Antragsteller, die die Voraussetzungen für den Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II erfüllen, von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts ausgeschlossen sind. Die Leistungsausschlüsse nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II i.d.F. vom 09.12.2020 greifen aber unter Berücksichtigung des im einstweiligen Rechtsschutzverfahren maßgeblichen summarischen Prüfungsmaßstabs nicht zu Lasten der Antragstellerin zu 1). Danach sind von Leistungsanspruch ausgenommen Ausländerinnen und Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben (Nr. 2a) oder deren Aufenthaltsrecht sich all...

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