Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 20.07.2023 geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage S 32 AS 836/23 vom 04.04.2023 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 01.03.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2023 wird angeordnet.
Der Antragsgegner hat die Kosten der Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren und im Beschwerdeverfahren zu erstatten.
Gründe
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage i.S.v. § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG gegen den Bescheid vom 01.03.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.03.2023, mit dem der Antragsgegner die Antragstellerin aufgefordert hat, Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII bei der Stadt N., Fachbereich Soziales zu beantragen und dies dem Antragsgegner nachzuweisen.
Zu Unrecht hat das Sozialgericht den Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung der Klages anzuordnen, abgelehnt.
Nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache in den Fällen, in denen - wie hier gemäß § 39 Nr. 1 SGB II - Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen. Die Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung durch das Gericht angeordnet wird, erfolgt aufgrund einer umfassenden Abwägung des Aufschubinteresses des Antragstellers einerseits und des öffentlichen Interesses an der Vollziehung des Verwaltungsaktes andererseits. Im Rahmen dieser Interessenabwägung ist in Anlehnung an § 86a Abs. 3 Satz 2 SGG zu berücksichtigen, in welchem Ausmaß Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen oder ob die Vollziehung für den Antragsteller eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Da § 39 Nr. 1 SGB II das Vollzugsrisiko bei Bescheiden, die Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende aufheben bzw. zurückzunehmen, grundsätzlich auf den Adressaten verlagert, können nur solche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides ein überwiegendes Aufschubinteresse begründen, die einen Erfolg des Rechtsbehelfs zumindest überwiegend wahrscheinlich erscheinen lassen. Maßgebend ist, ob nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Eilentscheidung mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides spricht (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. nur Beschlüsse vom 05.07.2023 - L 7 AS 845/23 B ER; vom 14.02.2022 - L 7 AS 1828/21 B ER -; vom 30.08.2018 - L 7 AS 1097/18 B ER - und vom 02.03.2017 - L 7 AS 57/17 B ER -; Keller, in: Meyer-Ladewig, SGG, 13. Aufl., § 86b Rn. 12f ff. m.w.N.).
Hier geht die Interessenabwägung nach den vorstehenden Maßgaben zugunsten der Antragstellerin aus. Nach summarischer Prüfung spricht mehr für als gegen die Rechtswidrigkeit der Aufforderung vom 01.03.2023. Zutreffend ist das Sozialgericht davon ausgegangen, dass es sich um eine Verfügung einer Behörde zur Regelung eines Einzelfalls mit Außenwirkung und somit um einen Verwaltungsakt i.S.v. § 31 SGB X handelt (vgl. auch BSG, Beschluss vom 16.12.2011 - B 14 AS 138/11 B -). Jedoch liegen die Voraussetzungen nach §§ 12a Abs. 1 Satz 1, 5 Abs. 2, 3 SGB II nicht vor. Nach § 12a Abs. 1 Satz 1 SGB II sind Leistungsberechtigte verpflichtet, Sozialleistungen anderer Träger in Anspruch zu nehmen und die dafür erforderlichen Anträge zu stellen, sofern dies zur Vermeidung, Beseitigung, Verkürzung oder Verminderung der Hilfebedürftigkeit erforderlich ist. Die Antragstellerin ist nicht auf eine dem Bürgergeld vorrangige Leistung zu verweisen.
Die Antragstellerin ist leistungsberechtigt nach § 19 Abs.1 Satz 2 SGB II. Danach haben nichterwerbsfähige Leistungsberechtigte, die mit erwerbsfähigen Leistungsberechtigten in einer Bedarfsgemeinschaft leben, einen Anspruch auf Bürgergeld, soweit sie keinen Anspruch auf Leistungen nach dem Vierten Kapitel des Zwölften Buches haben. Die Antragstellerin ist, was aus dem Gutachten von W. vom 07.12.2022 folgt, erwerbsunfähig i.S.v. § 8 Abs. 1 SGB II, da sie über sechs Monate täglich weniger als drei Stunden Arbeiten verrichten kann und sie lebt mit einem erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, ihrem Ehemann, in Bedarfsgemeinschaft. Sie beziehen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II (Bescheide vom 14.12.2022 und vom 17.12.2022). Ein Anspruch der Antragstellerin nach dem Vierten Kapitel des SGB XII ist nicht nachgewiesen. Neben der vollen Erwerbsminderung ist insoweit erforderlich, dass unwahrscheinlich sein muss, das die volle Erwerbsminderung behoben werden kann. Prognostisch ist insoweit eine Dauer von mindestens drei Jahren erforderlich. Die im Gutachten von W. getroffene Einschätzung, die körperliche Leistungsfähigkeit sei aufgrund des Erkrankungsbildes voraussichtlich über sechs Monate vermindert, verhält sich nicht zu der in § 41 Abs. 3 SGB XII notwendigen dauerhaften Erwerbsminderung von mindestens drei Jahren (Blüggel in: jurisPK, § 41 SG...