Entscheidungsstichwort (Thema)
Begrenzte Amtsermittlungspflicht des Gerichts im einstweiligen Anordnungsverfahren
Orientierungssatz
1. Zum Erlass einer einstweiligen Anordnung ist erforderlich, dass der Antragsteller den Anordnungsanspruch glaubhaft macht. Ist eine summarische Prüfung der Erfolgsaussicht in der Hauptsache durch das Gericht nicht möglich, so hat eine Folgenabwägung stattzufinden.
2. Werden mit dem Antrag Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB 12 geltend gemacht, so muss der Antragsteller glaubhaft machen, dass er seinen Lebensunterhalt nicht aus seinem Einkommen und Vermögen beschaffen kann.
3. Das Gericht muss auch im Amtsermittlungsverfahren selbst substantiierten Beweisanträgen nicht nachgehen, wenn sie auf widersprüchlichem und unglaubhaftem Vorbringen des Antragstellers beruhen.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin werden der Teilabhilfebeschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.07.2005 aufgehoben und der Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 15.06.2005 teilweise geändert: Der Antrag des Antragstellers zu 2) auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Wege der einstweiligen Anordnung wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten der Beteiligten im Beschwerdeverfahren sowie die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers zu 2) im ersten Rechtszug sind nicht zu erstatten.
Gründe
Im Beschwerdeverfahren wird in zulässiger Weise nur noch über den Antrag des Antragstellers zu 2) auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung gestritten. Die Beschwerdeschrift der Antragsgegnerin greift den Beschluss des Sozialgerichts (SG) Düsseldorf vom 15.06.2005 und den Teilabhilfebeschluss des SG vom 05.07.2005 mit hinreichender Deutlichkeit nur hinsichtlich des Antragstellers zu 2) an. Im Übrigen ist bezüglich der Antragstellerin zu 1) ein Rechtsschutzbedürfnis an einer Beschwerdeentscheidung auch nicht erkennbar, nachdem die im Beschwerdeverfahren beigeladene ARGE S ihren Anspruch auf Arbeitslosengeld II zwischenzeitlich anerkannt hat.
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des SG vom 15.06.2005 in der Fassung des Teilabhilfebeschlusses vom 05.07.2005 ist begründet. Der Antragsteller zu 2) hat keinen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) können die Sozialgerichte einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis (Anordnungsanspruch) erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung).
Im vorliegenden Fall scheitert der Erlass einer einstweiligen Anordnung schon daran, dass der Antragsteller zu 2) den erforderlichen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht hat.
Bei der Beurteilung des Anordnungsanspruchs orientiert sich der Senat an den Grundsätzen, die das Bundesverfassungsgericht mit Blick auf das Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus Art 19 Abs. 4 Grundgesetz aufgestellt hat (Beschluss v. 12.05.2005, 1 BvR 569/05). Danach dürfen sich die Gerichte nicht auf eine bloß summarische Prüfung der Erfolgsaussichten und die Anforderungen an die Glaubhaftmachung durch den Antragsteller nicht überspannen. Ist eine Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache nicht möglich, so hat eine Folgenabwägung stattzufinden.
Die Prüfung der Erfolgsaussichten der Hauptsache ergibt, dass der Antragsteller zu 2) keinen Anspruch auf die begehrte Leistung hat. Denn es steht nicht fest, dass er seinen Lebensunterhalt nicht aus seinem Einkommen und Vermögen beschaffen kann (§ 41 Abs. 2 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB XII]). Für diese anspruchsbegründende Voraussetzung trägt der Antragsteller zu 2) auch im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung die materielle Beweislast zumindest im Sinne einer Glaubhaftmachung. Das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ist indessen nicht einmal wahrscheinlich.
Nach dem unstreitigen Vortrag der Beteiligten steht fest, dass dem Antragsteller zu 2) am 05.01.2004 ein Betrag von insgesamt 19.771,13 EUR als Barscheck zugeflossen ist. Die durch eidesstattliche Versicherung bekräftigte Behauptung des Antragstellers zu 2), er habe hiervon einen Teilbetrag von 19.270,00 EUR zur Rückzahlung von Darlehn an insgesamt sechs verschiedene Gläubiger verwandt, ist insbesondere angesichts der hierzu im Beschwerdeverfahren vorgetragenen Umstände nicht glaubhaft.
Der Antragsteller zu 2) hat zur Glaubhaftmachung vier offenkundig in derselben Handschrift ausgestellte Quittungen über 1.470,00 EUR, 2.557,00 EUR, 725,00 EUR und 805,00 EUR, davon drei unleserlich und eine gar nicht unterzeichnet vorgelegt. Außerdem hat er zwei Ablichtungen von Schuldscheinen überreicht: einen Schuldschein vom 07....