Entscheidungsstichwort (Thema)

Bestimmung des örtlich zuständigen Jobcenters bei einem Ausländer

 

Orientierungssatz

1. Die örtliche Zuständigkeit des Jobcenters bei einem geltend gemachten Anspruch auf Leistungen der Grundsicherung bestimmt sich entsprechend §§ 36 Abs. 1, 44b SGB 2 nach dem tatsächlichen Aufenthalt des Antragstellers.

2. Bei einem Ausländer bestimmt die Regelung des § 12a Abs. 1 S. 1 AufenthG, dass ein Ausländer verpflichtet ist, für den Zeitraum von drei Jahren ab Erteilung der Aufenthaltserlaubnis seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Land zu nehmen, in das er zur Durchführung seines Asylverfahrens oder Aufnahmeverfahrens zugewiesen worden ist.

3. Innerhalb des zugewiesenen Landes ist dasjenige Jobcenter zuständig, in dessen Gebiet sich die betreffende ausländische Person gewöhnlich oder tatsächlich aufhält.

4. Vom Gesetzgeber ist nicht geregelt, was gelten soll, wenn der Ausländer seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des Gebietes des Bundeslandes genommen hat, dem er nach § 12a Abs. 1 AufenthG zugewiesen worden ist.

5. Ohne konkret-individuelle Wohnsitzauflage enthält § 36 Abs. 2 S. 1 SGB 2 keine von Abs. 1 abweichende Bestimmung der örtlichen Zuständigkeit. Damit ist bei einer Wohnsitznahme des Ausländers außerhalb des zugewiesenen Bundesgebietes dasjenige Jobcenter örtlich zuständig, in dessen Bereich dieser seinen tatsächlichen Aufenthalt hat.

 

Tenor

Auf die Beschwerden des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 31.01.2017 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, dem Antragsteller Leistungen zur Deckung des Regelbedarfs für die Zeit vom 17.01.2017 bis zum 31.05.2017 nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragstellers zurückgewiesen.

Dem Antragsteller wird für die Durchführung des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen sowie für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin T aus H bewilligt.

Der Antragsgegner hat die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers in beiden Rechtszügen zu 2/3 zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt die Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Der Antragsteller ist am 00.00.1984 geboren und syrischer Staatsangehöriger. Am 15.10.2015 reiste er in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Bescheid vom 06.01.2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) den Antragsteller nach § 3 Asylgesetz (AsylG) als Flüchtling an und bescheinigte - unter Hinweis auf § 25 Abs. 2 Satz 1 Fall 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) - ein Aufenthaltsrecht aus humanitären Gründen. Das BAMF bescheinigte dem Antragsteller ferner, dass er bis zur endgültigen Entscheidung über seinen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis eine Erwerbstätigkeit ausüben darf. Der Landkreis O bestätigte dem Antragsteller am 23.02.2016, dass er die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis beantragt hat. Der Antragsteller war gemäß § 12a Abs. 1 AufenthG verpflichtet, seinen Wohnsitz im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern zu nehmen. Eine konkrete Wohnsitzauflage gemäß § 12a Abs. 2 oder 3 AufenthG wurde dem Antragsteller nicht auferlegt.

Der Antragsteller mietete zum 16.06.2016 eine Wohnung in H an, in der er seitdem wohnt. Seit dem 12.08.2016 ist er in H registriert. Die dem Antragsteller durch das Jobcenter O bis dahin gewährten Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) hob dieses für die Zeit ab dem 01.07.2016 wegen des Umzuges des Antragstellers ("Umzug und dadurch Wechsel der Zuständigkeit") auf (Bescheid vom 15.06.2016).

Der Antragsgegner bewilligte dem Antragsteller mit Bescheiden vom 02.08.2016 für die Zeit vom 16.06.2016 bis zum 31.12.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II, die Übernahme der Mietkaution, eine Erstausstattung der Wohnung sowie eine Erstausstattung mit Haushaltsgeräten und die Übernahme von Renovierungskosten.

Der Antragsteller beantragte am 12.10.2016 die Aufhebung seiner Verpflichtung gemäß § 12a Abs. 1 AufenthG, seinen Wohnsitz im Bundesland Mecklenburg-Vorpommern zu nehmen. Dies lehnte die Stadt H mit Bescheid vom 26.10.2016 ab. Dagegen hat der Antragsteller am 18.11.2016 Klage vor dem Verwaltungsgericht H erhoben (Az. 000).

Den Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers vom 14.11.2016 lehnte der Antragsgegner mit Bescheid vom 19.01.2017 ab, weil der Antragsteller zur Wohnsitznahme in Mecklenburg-Vorpommern verpflichtet sei. Hiergegen erhob der Antragsteller Widerspruch.

Am 17.01.2017 hat der Antragsteller vor dem Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen beantragt, den Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Zeitraum ab Januar 2017 bis zur Entscheidung der Hauptsache zu erbringen.

Mit Beschluss vom 31.01.2017 hat das SG Gelsenkirchen den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung unt...

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