Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit der Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung
Orientierungssatz
1. Über die Beschwerde gegen eine Entscheidung des Sozialgerichts über die Höhe der aus der Staatskasse festzusetzenden Vergütung für einen Rechtsanwalt kann das Landessozialgericht auch dann entscheiden, wenn das Sozialgericht die erforderliche Entscheidung über die Abhilfe nicht getroffen hat, sofern die Beschwerde unter keinen denkbaren Gesichtspunkten zulässig ist.
2. Beträgt nach zutreffender Berechnung der Beschwerdewert nicht mehr als 200.- €. , so erreicht er nicht die in § 33 Abs. 3 S. 1 RVG vorgeschriebene Grenze. Die lediglich in der sozialgerichtlichen Rechtsmittelbelehrung, aber nicht im Tenor oder in den Entscheidungsgründen enthaltene unzutreffende Rechtsmittelbelehrung bewirkt nicht die Zulässigkeit der Beschwerde.
Tenor
Die Beschwerde des Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 9.7.2010 wird als unzulässig verworfen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der aus der Staatskasse festzusetzenden Vergütung für einen Rechtsanwalt. Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin des Ausgangsverfahren (im Folgenden: Beschwerdeführer) hat mit Schriftsatz vom 3.12.2009 die Festsetzung von 851,09 Euro (einschließlich Umsatzsteuer) gegen die Staatskasse beantragt. In diesem Betrag ist u.a. eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 3103 Vergütungsverzeichnis Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG-VV) von 320,00 Euro, abzüglich der hälftigen Geschäftsgebühr für Beratungshilfe nach Nr. 2503 RVG-VV von 35,00 Euro, sowie eine Terminsgebühr gemäß Nr. 3106 RVG-VV von 380,00 Euro enthalten gewesen. Der Urkundsbeamte hat 678,54 Euro (einschließlich Umsatzsteuer) festgesetzt (Beschluss v. 4.2.2010). Er ist dabei von einer Verfahrensgebühr von 255,00 Euro sowie einer Terminsgebühr von 300,00 Euro und im Übrigen von der Kostenrechnung des Beschwerdeführers ausgegangen.
Im Erinnerungsverfahren hat der Beschwerdegegner die Festsetzung durch den Urkundsbeamten für richtig gehalten. Nachdem der Beschwerdeführer sich trotz Erinnerung (zunächst) nicht geäußert hat, hat das SG die Erinnerung zurückgewiesen (Beschluss v. 9.7.2010). In der Rechtsmittelbelehrung hat es ausgeführt, die Beschwerde sei statthaft, da der Wert der Beschwer 205,33 Euro betrage. Der Beschluss ist am 21.7.2010 abgesandt und dem Beschwerdeführer laut Empfangsbekenntnis am 26.7.2010 zugestellt worden. Mit Telefax vom 22.7.2010 hat der Beschwerdeführer seinen Festsetzungsantrag sinngemäß erweitert und geltend gemacht, er brauche den Abzug der hälftigen Geschäftsgebühr nicht zu dulden, weil Nr. 3103 RVG-VV insoweit der Nr. 2503 RVG-VV als Spezialvorschrift vorgehe.
Am 6.8.2010 hat der Beschwerdeführer Beschwerde zum SG eingelegt, mit der er sein Ziel auf Festsetzung einer höheren Vergütung weiterverfolgt. Er hält die Beschwerde für zulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes schon nach der Rechtsmittelbelehrung des SG, erst recht nach Verzicht auf die Anrechnung der hälftigen Geschäftsgebühr erreicht sei. Indem das SG entschieden habe, ohne seine ergänzende Stellungnahme abzuwarten, habe es zudem sein rechtliches Gehör verletzt.
Der Beschwerdegegner hält die Beschwerde für unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes lediglich 172,55 Euro (851,09 Euro minus 678,54 Euro) betrage.
II.
Der Senat entscheidet über die Beschwerde mit drei Berufsrichtern (vgl. Senat, Beschluss v. 31.8.2009, L 8 B 11/09 R, juris und sozialgerichtsbarkeit.de, dessen Erwägungen auch für die entsprechenden §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 RVG gelten; wie hier: LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 16.12.2009, L 19 B 180/09 AS, juris; a.A. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss v. 10.2.2011, L 9 AS 1290/10 B, juris).
Der Senat kann über die Beschwerde entscheiden, obwohl das SG, soweit erkennbar, nicht die in §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 4 Satz 1 RVG vorgesehene Entscheidung über die Abhilfe getroffen hat. Denn die Beschwerde ist unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zulässig (vgl. BFH, Beschluss v. 3.5.1984, VII B 84/83, BStBl. II 1984, 562).
Gegen den Beschluss des SG über die Festsetzung der aus der Staatskasse zu zahlenden Vergütung können die Antragsberechtigten Beschwerde einlegen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 Euro übersteigt (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG). Das ist hier nicht der Fall.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird bestimmt durch den Teil der Beschwer, den der Beschwerdeführer im Beschwerdeverfahren noch weiterverfolgt. Die Beschwer wiederum bemisst sich nach dem Unterschied zwischen dem erstinstanzlich Erstrebten und Erreichten. Eine nach Erlass der erstinstanzlichen Entscheidung beantragte Erhöhung der festzusetzenden Vergütung führt daher nicht dazu, dass der Schwellenwert des § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG überschritten und eine sonst unzulä...