Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung der für die Erstellung eines medizinischen Sachverständigengutachtes anfallenden Umsatzsteuer durch das auftraggebende Sozialgericht
Orientierungssatz
1. Ob und in welchem Umfang die auf die Vergütung des Sachverständigen entfallende Umsatzsteuer nach § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 JVEG zu ersetzen ist, kommt es allein auf die umsatzsteuerrechtliche Betrachtung an.
2. Bei einem in Auftrag eines Gerichts erstellten Sachverständigengutachten handelt es sich um eine sonstige Leistung i. S. von § 3 Abs. 9 UStG.
3. Es stellt eine Beratungsleistung und keine wissenschaftliche Leistung dar, weil das Gericht mit Hilfe des Gutachtens einen Rechtstreit entscheiden will.
4. Nach § 3a Abs. 2 UStG wird eine sonstige Leistung, die an einen Unternehmer an dessen Unternehmen erbracht wird, an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibt. Das ist der Sitz des Gerichts, das den Gutachtenauftrag erteilt hat, § 3a Abs. 2 S. 2 UStG.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 05.02.2021 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
Die aufgrund der Zulassung durch das Sozialgericht gemäß § 4 Abs. 3 2. Teilsatz JVEG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat und über die der Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache in der Besetzung durch drei Berufsrichter ohne ehrenamtliche Richter entscheidet (§ 4 Abs. 7 Satz 2 und 3 JVEG), ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die dem Antragsteller für die Erstattung seines Gutachtens vom 10.04.2020, das am 01.07.2020 beim Sozialgericht eingegangen ist, zustehende Vergütung zu Recht auf 1282,73 Euro festgesetzt.
Dem Antragsteller stehen gemäß §§ 9 Abs. 1 Satz 1, 8 Abs. 1 Satz 1 JVEG eine nach Zeitaufwand zu bemessende Vergütung i.H.v. 1.050,- Euro für 14 Stunden nach der Honorargruppe M 2 und Schreibgebühren nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG i.H.v. 55,80 Euro zu. Insoweit herrscht zwischen den Beteiligten auch Einigkeit. Die Beteiligten streiten allein darüber, ob die gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG gesondert zu ersetzende Umsatzsteuer mit dem gemäß § 28 Abs. 1 UStG im Zeitraum vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 vorübergehend geltenden Steuersatz von 16 % der Bemessungsgrundlage oder mit dem regulären Steuersatz von 19 % der Bemessungsgrundlage gemäß § 12 Abs. 1 UStG anzusetzen ist. Das Sozialgericht hat insoweit zu Recht in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (Beschl. v. 29.12.2020 - L 15 R 947/20 B -, juris Rn. 2 ff.) entschieden, dass der Steuersatz von 16 % der Bemessungsgrundlage Anwendung findet und dem Antragsteller dementsprechend gemäß § 12 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 JVEG lediglich 176,93 Euro und nicht 210,10 Euro zu ersetzen sind, weil das Gutachten des Antragstellers am 01.07.2020 und damit im Zeitraum vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 bei Gericht eingegangen ist. Der Senat hält auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Antragstellers und zwischenzeitlich veröffentlichter Rechtsprechung, die der Auffassung des Senats widerspricht und auf den Zeitpunkt der Fertigstellung des Gutachtens oder seiner Aufgabe zur Post abstellt (SG Itzehoe, Beschl. v. 16.10.2020 - S 9 AR 17/20 KO -, juris Rn. 6 ff; Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschl. v. 11.03.2021- L 5 AR 368/20 B KO -, juris Rn. 17, 20), an seiner Rechtsprechung mit folgenden Präzisierungen fest:
1. Für die Frage, ob und in welchem Umfang gemäß § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG die auf die Vergütung des Sachverständigen entfallende Umsatzsteuer zu ersetzen ist, kommt es allein auf eine umsatzsteuerrechtliche Betrachtung an. Bei § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG handelt es sich um einen Aufwendungsersatzanspruch. Der Sachverständige soll von Aufwendungen freigestellt werden, die er nach umsatzsteuerrechtlichen Vorschriften für die ihm zustehende Vergütung tatsächlich zu zahlen hat. Dies folgt schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, wonach "die auf die Vergütung entfallende Umsatzsteuer" zu ersetzen ist, sowie aus dem in der Vorschrift enthaltenen Verweis auf § 19 UStG (so zutreffend Schleswig-Holsteinisches LSG, Beschl. v. 11.03.2021 - L 5 AR 368/20 B KO -, juris Rn. 19; ebenso in der Sache bereits BSG, Urt. v. 02.10.2008 - B 9 SB 7/07 R -, juris Rn. 12).
Maßgeblich sind damit nicht nur die Vorschriften des Umsatzsteuergesetzes (UStG), sondern auch Verwaltungsvorschriften und Anordnungen der zuständigen Steuerbehörden, die verbindliche Regelungen über die Erhebung von Umsatzsteuer für das vom Antragsteller erstattete Sachverständigengutachten enthalten. Insbesondere wäre eine endgültig bindende Entscheidung einer Finanzbehörde oder eines Finanzgerichts über die Höhe des Steuersatzes auch im Rahmen von § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 JVEG verbindlich. Eine solche bindende Entscheidung des zuständigen Finanzamtes ist hier allerdings nicht ersichtlich.
Demgegenüber kommt es nic...