Entscheidungsstichwort (Thema)

Zeiten zur Auffüllung der 36-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG

 

Orientierungssatz

1. Leistungen nach § 2 AsylbLG sind lediglich geeignet, das sog. soziokulturelle Existenzminimum sicher zu stellen. Hieran haben sich die nach dem SGB 12 bemessenen Leistungen zu orientieren. Nur bei ersichtlich zweifelhaftem Anordnungsgrund ist es deshalb zumutbar, mit Leistungen unterhalb des Minimums solange zu wirtschaften, bis im Hauptsacheverfahren eine Entscheidung herbeigeführt worden ist.

2. Bei Leistungsberechtigten, die bereits länger in Deutschland leben, sind Leistungen in entsprechender Höhe wie nach dem SGB 12 zu erbringen. Ein Wirtschaften unterhalb des Existenzminimums erscheint nach Ablauf von 36 Monaten des Bezugs niedrigerer Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht mehr zumutbar.

3. Zur Auffüllung der 36-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG genügen sowohl der Bezug von Leistungen des BSHG als auch Zeiten der Erwirtschaftung eigenen Erwerbseinkommens.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Tenor des Beschlusses des Sozialgerichts Köln 13.06.2007 neu gefasst: Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragsteller für die Zeit ab dem 30.04.2007 bis zum Ende des Monats der gerichtlichen Entscheidung Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) an Stelle der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren. Die Beschwerde der Antragsgegnerin wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin B, B-Straße 00, L, zu ihrer Vertretung beigeordnet.

 

Gründe

I.

Die am 00.00.1986 geborene Antragstellerin ist kongolesische Staatsangehörige. Sie reiste am 11.03.2002 als Minderjährige in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 13.08.2004 wurde ihre Tochter N geboren.

Die Antragstellerin wurde im Zeitraum vom 04.07.2002 bis 20.06.2006 mit Mitteln der Jugendhilfe unterstützt. Sie ist im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Seit dem 01.08.2006 bezieht sie zusammen mit ihrer Tochter Grundleistungen nach § 3 AsylbLG.

Am 02.02.2007 beantragte die Antragstellerin die Gewährung höherer Leistungen nach § 2 AsylbLG. Die Antragsgegnerin lehnte dies mit Bescheid vom 22.03.2007 ab; Leistungen nach § 2 AsylbLG könnten erst beansprucht werden, wenn 36 Monate Grundleistungen nach dem AsylbLG bezogen worden seien. Für die Antragstellerin könne deshalb frühestens ab dem 01.08.2009 ein Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG bestehen; Zeiten des Bezuges von Jugendhilfeleistungen seien auf die Frist von 36 Monaten nicht anrechenbar. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch ein, über den noch nicht entschieden ist.

Mit Beschluss vom 13.06.2007 hat das Sozialgericht Köln aufgrund eines am 30.04.2007 beim Sozialgericht eingegangenen Antrags der Antragstellerin die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit ab dem 02.02.2007 bis zum 30.06.2007 Leistungen nach § 2 AsylbLG anstelle der gewährten Leistungen nach § 3 AsylbLG zu gewähren. Auf die Entscheidungsgründe dieses Beschlusses wird Bezug genommen.

Gegen den am 14.06.2007 zugestellten Beschluss hat die Antragsgegnerin am 21.06.2007 Beschwerde eingelegt, der das Sozialgericht mit Beschluss vom 22.06.2007 nicht abgeholfen hat. Sie trägt vor, jedenfalls vor Antragstellung am 30.04.2007 hätte eine Verpflichtung der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung nicht erfolgen dürfen. Im Übrigen komme aus Rechtsgründen ohnehin eine Verpflichtung zur Zahlung von Leistungen nach § 3 AsylbLG nicht in Betracht. § 2 Abs. 1 AsylbLG mache für den Bezug erhöhter Leistungen zur Voraussetzung, dass Leistungen nach § 3 AsylbLG über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten erhalten worden seien. Als Ausnahmeregelung zu § 3 AsylbLG sei die Vorschrift eng auszulegen; sie sei einer ihrem Wortlaut nicht entsprechenden Auslegung deshalb nicht zugänglich. Ein möglicherweise weitergehender Gesetzeszweck habe jedenfalls keinen Eingang in den Gesetzeswortlaut gefunden. Es bestehe insoweit auch kein Raum, unter Bezug auf die Gesetzesbegründung der Vorschrift einen weiteren Regelungsinhalt zu geben. Die Antragstellerin habe sich im Übrigen zu keinem Zeitpunkt einschränken müssen. Die von ihr früher zur freien Verfügung bezogenen Leistungen nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VIII) seien um Vieles höher gewesen als entsprechende Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII). Sie sei damit besser gestellt gewesen als jeder Sozialhilfebezieher. Insofern treffe sie der Bezug von Leistungen nach § 3 AsylbLG persönlich sicherlich hart; es gebe jedoch im Bereich der Sozialleistungsgesetze generell keinen Vertrauensschutz. Die subjektiven Verhältnisse der Antragstellerin könnten deshalb eine Auslegung, die vom Gesetzeswortlaut abweiche, nicht rechtfertigen. Im Übrigen gebe...

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