Entscheidungsstichwort (Thema)

Bewilligung von Prozesskostenhilfe in einem Rechtsstreit zur Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs

 

Orientierungssatz

1. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts und die damit verbundene Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist nur erforderlich, wenn die Sach- und Rechtslage schwierig ist oder der Beteiligte nicht in der Lage ist, seine Rechte angemessen wahrzunehmen, vgl. BSG, Urteil vom 12. Juli 2012 - B 14 AS 152/11.

2. Macht der Kläger die Verfassungswidrigkeit des Regelbedarfs nach § 20 SGB 2 geltend und war bei Entscheidungsreife des PKH-Antrags die Entscheidung des BSG zur Verfassungsgemäßheit des Regelbedarfs für Alleinstehende nach § 20 SGB 2 vom 12. 07. 2012 bereits verkündet, so ist PKH nicht zu bewilligen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. November 2009 - 1 BvR 2455/08.

3. Aus verfassungsrechtlicher Sicht reicht es aus, wenn dem Betroffenen nach Ergehen einer sog. Musterentscheidung noch alle prozessualen Möglichkeiten offenstehen, umfassenden gerichtlichen Schutz zu erlangen. In einer solchen Situation ist es dem Kläger zuzumuten, das Betreiben des eigenen Verfahrens zurückzustellen bzw. förmlich zu beantragen, im Hinblick auf anhängige Revisionen das Ruhen des Verfahrens anzuordnen, vgl. BVerfG, Beschluss vom 18. November 2009 - 1 BvR 2455/08.

4. PKH ist dagegen zu bewilligen, wenn zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des PKH-Gesuchs die Entscheidung des BSG zur Verfassungsmäßigkeit des Regelbedarfs noch nicht verkündet gewesen ist.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 03.04.2012 geändert. Der Klägerin wird ab dem 30.03.2012 für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe ratenfrei bewilligt, soweit sie Gewährung eines höheren Regelbedarfs für die Zeit vom 01.01. bis 29.02.2012 begehrt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

 

Gründe

I.

Die am 00.00.1957 geborene Klägerin war verheiratet. Zum 21.09.2011 wurde ihr Ehemann in ein Pflegeheim stationär aufgenommen. Die Klägerin bezog eine Rente in Höhe von 212,90 EUR mtl.

Im Fortzahlungsantrag für die Zeit ab dem 01.09.2011 gab die Klägerin an, dass ihr Sohn ab dem 01.07.2011 eingezogen sei. Die Miete belief sich auf 415,00 EUR.Durch Bescheid vom 29.09.2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) in Höhe vom 386,50 EUR (179,00 EUR Regelleistung + 207,50 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung) für die Zeit vom 01.09.2011 bis 29.02.2012. Durch Bescheid vom 26.11.2011 bewilligte der Beklagte der Klägerin Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01. bis 29.02.2012 in Höhe von 396,50 EUR.

Am 05.12.2011 erhob die Klägerin Widerspruch. Sie vertrat die Auffassung, dass die gesamte Miete vom Beklagten übernommen werden müsse. Durch Widerspruchsbescheid vom 24.01.2012 wies der Beklagte den Widerspruch hinsichtlich der Kosten für Unterkunft und Heizung als unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurück.

Der Beklagte fasste das Widerspruchsschreiben vom 03.12.2011 als Überprüfungsantrag nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinsichtlich des Bescheides vom 29.09.2011 auf. Die Betreuerin der Klägerin gab an, dass sich der Sohn der Klägerin zeitweilig in der Wohnung der Klägerin aufhalte. Den Überprüfungsantrag wies der Beklagte durch Bescheid vom 14.02.2012 zurück.

Am 06.02.2011 beantragte die Betreuerin der Klägerin die Übernahme einer Nebenkostennachforderung für Jahr 2011 unter Vorlage einer Nebenkostenabrechnung vom 01.01.2012.

Am 02.02.2011 hat die Klägerin Klage erhoben. Sie macht geltend, dass die Höhe des Regelbedarfs verfassungswidrig sei. In der Klageschrift vom 01.02.2012 heißt es " Die Klage wird hier zunächst begrenzt auf die Nichterhöhung des Regelsatzes." Der Regelsatz sei verfassungswidrig.

Durch Beschluss vom 03.04.2012 hat das Sozialgericht Dortmund den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt.

Hiergegen hat die Klägerin Beschwerde unter Hinwies auf das beim Bundessozialgericht anhängigen Revisionsverfahren - B 14 AS 153/11 R - eingelegt.

Der Prozessbevollmächtigte hat mitgeteilt, dass die Klägerin zwischenzeitlich verstorben sei.

II.

Die Beschwerde ist teilweise begründet.

Nach § 73 a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. §§ 114, 115 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Prüfung der Erfolgsaussicht ist in der Regel der Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfegesuchs (vgl. hierzu Beschluss des Senats vom 20.09.2011 - L 19 AS 1509/11 B ER, L 19 AS 1510/11 B = juris Rn. 19; Bayerisches LSG Beschluss vom 19.03.2009 - L 7 AS 64/09 B PKH = juris Rn. 14). Dieser ist dann gegeben, wenn der Antragsteller einen bewilligungsreifen Antrag vorgelegt (vgl. hierzu BVe...

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