Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf ausbildungsbegleitende Hilfen. Sonderregelung für die Ausbildungsförderung für Ausländer. Asylbewerber aus Guinea mit Aufenthaltsgestattung. Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts. Prognoseentscheidung. Bleibeperspektive. Gesamtschutzquote von mindestens 50% des Herkunftslandes. Aufenthaltsdauer. Aussicht auf eine Duldung wegen Aufnahme einer qualifizierten Berufsausbildung. Aussicht auf eine Aufenthaltserlaubnis für qualifizierte Geduldete zum Zweck der Beschäftigung. Verfassungsmäßigkeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Prognose der Bundesanstalt für Arbeit, ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt eines Ausländers sei iSv § 132 Abs 1 S 1 SGB III nicht "zu erwarten", weil die sog Gesamtschutzquote bei Asylbewerbern aus dem Herkunftsland des Ausländers nicht über 50 Prozent liege, ist jedenfalls im Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (in dem zudem keine sonstigen Besonderheiten des Einzelfalls belastbar für eine hinreichende Bleibeperspektive sprechen) nicht zu beanstanden.
2. Bei einem Ausländer, der sich bereits länger als 15 Monate in Deutschland aufhält, dessen Aufenthalt wegen eines nicht abgeschlossenen Asylverfahrens aber nach § 55 AsylG gestattet ist, begründet die Möglichkeit, dass ihm künftig nach ggf negativem Abschluss seines Asylverfahrens während einer von ihm absolvierten Ausbildung eine Duldung nach § 60a Abs 2 S 4 AufenthG (juris: AufenthG 2004) bzw nach Abschluss der Ausbildung eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18a AufenthG erteilt wird, keine aktuelle Erwartung eines rechtmäßigen und dauerhaften Aufenthalts iSv § 132 Abs 1 S 1 SGB III.
3. Dass nach § 60a AufenthG geduldete Ausländer gemäß § 59 Abs 2 SGB III bei einem rechtmäßigen ununterbrochenen Aufenthalt in Deutschland von mindestens 15 Monaten zum förderungsfähigen Personenkreis gehören, Ausländer mit entsprechender Aufenthaltsdauer, deren Aufenthalt während des Asylverfahrens nach § 55 AsylG gestattet ist, bei unterhälftiger Gesamtschutzquote von Asylbewerbern ihres Herkunftslandes jedoch nicht, verstößt nicht gegen Art 3 Abs 1 GG.
Tenor
Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Münster vom 15.03.2018 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Der im Jahr 1983 geborene Antragsteller ist guineischer Staatsangehörigkeit. Sein nach Einreise in die Bundesrepublik im November 2013 gestellter Asylantrag wurde mit Bescheid vom 14.02.2017 abgelehnt. Hiergegen ist ein Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Münster anhängig; derzeit verfügt er über eine Aufenthaltsgestattung zur Durchführung des Asylverfahrens (§ 55 AsylG).
Er absolvierte zunächst einen ehrenamtlich geführten Deutschkurs beim Verein A mit einem Umfang von 1,5 Stunden/Woche und sodann von November 2014 bis Mai 2015 und von Februar bis August 2016 einen Sprachkurs beim Bildungsinstitut N e.V. Nachdem er zunächst als Produktionshelfer über eine Zeitarbeitsfirma und sodann als Aushilfskraft bei der Firma F-Markt I in U beschäftigt war, schloss er am 16.06.2017 einen Berufsausbildungsvertrag mit der Firma F-Markt I über eine zweijährige Ausbildung im Ausbildungsberuf Verkäufer. Die Ausbildung sollte am 01.08.2017 beginnen und bis zum 31.07.2019 andauern, als Vergütung wurden im ersten Ausbildungsjahr 765 EUR, im zweiten Ausbildungsjahr 850 EUR bei regelmäßiger wöchentlicher Ausbildungszeit von 39 Stunden vereinbart.
Einen am 16.08.2017 bei der Antragsgegnerin gestellten Antrag auf Bewilligung von Berufsausbildungsbeihilfe lehnte diese mit Bescheid vom 27.11.2017 ab. Hiergegen legte der Antragsteller am 30.11.2017 Widerspruch ein, den die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 13.12.2017 zurückwies. Die Stadt U bewilligte dem Antragsteller rückwirkend ab September 2017 Leistungen nach dem AsylbLG unter Annahme des Vorliegens einer besonderen Härte nach § 42 Abs. 1 S. 2 SGB XII in Höhe von monatlich 100,51 EUR (Bescheid vom 12.12.2017).
Am 18.12.2017 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin außerdem mündlich die Gewährung ausbildungsbegleitender Hilfen nach § 75 SGB III. Diesen Antrag lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 27.12.2017 ab. Der Antragsteller gehöre erst dann zum förderungsfähigen Personenkreis des § 59 Abs. 3 Nr. 1 SGB III, wenn er sich vor Beginn der Berufsausbildung insgesamt fünf Jahre im Inland aufgehalten habe und rechtmäßig erwerbstätig gewesen sei. Diese Voraussetzungen seien in seinem Fall nicht erfüllt, da er erst am 02.11.2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist sei. Hiergegen legte der Antragsteller Widerspruch ein und führte aus, er gehöre über § 132 Abs. 1 SGB III zum förderungsfähigen Personenkreis nach § 59 SGB III. Es sei ein rechtmäßiger und dauerhafter Aufenthalt in Deutschland zu erwarten; denn nach Abschluss seines Asylverfahrens gebe es zwei Möglichkeiten: Entweder werde er als Flüchtling anerkannt und erhalte subsidiären Schutz bzw. einen Aufenthaltstitel aus einem anderen ...