Entscheidungsstichwort (Thema)
Absenkung der Regelleistung bei Weigerung, eine angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen
Orientierungssatz
1. Durch einstweiligen Rechtsschutz ist die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs bzw. der Klage gegen die Absenkung der Regelleistung anzuordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen.
2. Eine Sanktion nach § 31 Abs. 1 S 1 Nr. 1a SGB 2 setzt voraus, dass der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen. Hierzu ist erforderlich, dass dessen Pflichten hinreichend konkret festgelegt werden.
3. Ist nicht erkennbar, welchen konkreten Inhalt die vom Leistungsträger beabsichtigte Eingliederungsvereinbarung haben soll, ist eine Sanktion unzulässig. Das gilt ebenso dann, wenn der Antragsteller begründet auf eine Einschränkung seines Leistungsvermögens hinweist.
Tenor
Der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 20.06.2007 wird abgeändert. Es wird angeordnet, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.05.2007 in vollem Umfang aufschiebende Wirkung hat. Die Antragsgegnerin wird einstweilen verpflichtet, den aufgrund des Bescheides vom 14.05.2007 für den Zeitraum vom 01.06.2007 bis 31.07.2007 einbehaltenen Leistungsbetrag von insgesamt 207,00 EUR (zwei Monate je 103,50 EUR) an den Antragsteller auszuzahlen. Die Antragsgegnerin trägt die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers für beide Rechtszüge.
Gründe
Die Beschwerde des Antragstellers, der das Sozialgericht (SG) Gelsenkirchen mit Beschluss vom 23.01.2008 nicht abgeholfen hat, ist zulässig und begründet.
1. Nach § 86b Abs.1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen.
a) Das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers ist als solcher Antrag zu qualifizieren. Denn mit Verwaltungsakt (Bescheid) vom 18.01.2007 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit vom 01.02.2007 bis 31.07.2007. Mit Bescheid vom 14.05.2007 senkte die Antragsgegnerin die Regelleistung für den Zeitraum vom 01.06.2007 bis zum 31.08.2007 gemäß § 31 Abs. 1 SGB II ab. Der Widerspruch des Antragstellers hiergegen hatte keine aufschiebende Wirkung gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG i.V.m. § 39 Nr. 1 SGB II. Die Regelung des § 39 Nr. 1 SGB II erfasst auch Absenkungsentscheidungen gemäß § 31 SGB II. Denn auch die Absenkung der Regelleistung ist eine "Entscheidung" über "Leistungen" der Grundsicherung und wird infolgedessen von § 39 Nr. 1 SGB II erfasst.
b) Bei der Entscheidung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG hat das Gericht eine Interessenabwägung vorzunehmen. Im Rahmen dieser Abwägung ist darauf abzustellen, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder ob seine Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegend öffentliches Interesse gebotene Härte zur Folge hätte. Dabei ist jedenfalls in den Fällen, in denen wie hier das Gesetz selbst das Entfallen der aufschiebenden Wirkung anordnet, von einem Regel-Ausnahmeverhältnis zwischen sofortiger Vollziehbarkeit einerseits und aufschiebender Wirkung andererseits auszugehen, so dass das Vollziehungsinteresse hier in der Regel den Vorrang hat (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rn. 12a).
Hier bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Absenkungsbescheides vom 14.05.2007. Denn im einstweiligen Rechtsschutzverfahren war nicht zu erkennen, dass die von § 31 Abs. 1 SGB II geforderten tatbestandlichen Voraussetzungen für die von der Antragsgegnerin ausgesprochene Absenkung der Regelleistung vorlagen. Im Absenkungsbescheid vom 14.05.2007 führte die Antragsgegnerin als Begründung für die angeordnete Absenkung der Regelleistung aus, dass sich der Antragsteller "trotz Belehrung über die Rechtsfolgen geweigert (habe), eine Eingliederungsvereinbarung abzuschließen", und er sich "grundsätzlich (weigere), irgendwelche Vereinbarungen abzuschließen".
§ 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1a SGB II ermächtigt zur Absenkung der Regelleistung, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, eine ihm angebotene Eingliederungsvereinbarung abzuschließen.
aa) Dies setzt voraus, dass die angebotene Eingliederungsvereinbarung den gesetzlichen Vorgaben entspricht. Gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB II erfordert eine Eingliederungsvereinbarung, dass insbesondere die Pflichten des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in hinreichend konkreter Art und Weise festgelegt werden. Denn nur dann weiß der erwerbsfähige Hilfebedürftige, welche Mitwirkung ihm konkret obliegt und mit welchen Sanktionen er im Falle unterbliebener Mitwirkung zu rechnen hat. Aus dem Inh...