Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Prozesskostenhilfe bei ungeklärter Rechtsfrage
Orientierungssatz
1. Gegen den ablehnenden Beschluss des Sozialgerichts auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist die Beschwerde statthaft. Ihr steht nicht entgegen, dass die streitige Leistung die für die zulassungsfreie Berufung erforderliche Beschwer von 500,- €. nicht erreicht; die Sonderregelung des § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO ist nämlich im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar.
2. Ansprüche zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB 2 sind Individualansprüche der einzelnen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, weil die Bedarfe des § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 2 und 3 SGB 2 personenbezogen sind.
3. Ob es ich bei einem dreitägigen Seminar für Schüler über das Thema Streitschlichtung um eine mehrtägige Klassenfahrt im Rahmen der schulrechtlichen Bestimmungen nach § 23 Abs. 3 S. 1 Nr. 3 SGB 2 handelt, wirft eine Rechtsfrage auf, die bisher in der Rechtsprechung noch nicht geklärt ist, aber klärungsbedürftig ist. Deshalb ist bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen Prozesskotenhilfe zu gewähren.
Tenor
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichtes Dortmund vom 08.11.2007 abgeändert. Der Klägerin wird zur Durchführung des Klageverfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T aus E beigeordnet.
Gründe
Die Beschwerde ist zulässig. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die streitige Leistung die für die zulassungsfreie Berufung erforderliche Beschwer von mehr als 500,00 Euro (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -) nicht erreicht. Auch im diesem Fall bleibt die Beschwerde gemäß § 172 Abs. 1 SGG zulässig (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 8. Auflage 2005, § 172 Rn. 4). Nach dieser Vorschrift findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz (dem SGG) anderes bestimmt ist. Eine abweichende Bestimmung ist nicht nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG getroffen, wenn dort die entsprechende Geltung der Vorschriften der Zivilprozessordnung (ZPO) über die Prozesskostenhilfe vorgesehen ist. Zwar kennt die ZPO in § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO für den Fall der Ablehnung von PKH, die nicht allein auf die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des Antragstellers gestützt wurde, einen Ausschluss der Beschwerde, wenn der Streitwert in der Hauptsache den in § 511 (der ZPO) genannten Betrag (600,00 Euro) nicht übersteigt. Die genannte Sonderregelung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO ist im sozialgerichtlichen Verfahren nicht anwendbar (LSG NRW, Beschluss vom 19.04.2007, L 16 B 9/07 KR; LSG NRW, Beschluss vom 18.04.2007, L 19 B 42/06 AL; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.05.2007, L 10 B 217/07 AS PKH; a.A. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 13.09.2007, L 13 B 7/07 SF). Nach Auffassung des Senats steht einer entsprechenden Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO insbesondere entgegen, dass diese Vorschrift auf das zivilgerichtliche Verfahren zugeschnitten ist. Anders als im sozialgerichtlichen Verfahren entscheidet im Zivilprozess allein das erstinstanzliche Gericht über die Zulassung der Berufung, soweit diese nicht kraft Gesetzes zulässig ist (§ 511 Abs. 4 ZPO). Seine Entscheidung ist unanfechtbar, gleichgültig, ob es die Berufung zulässt oder nicht. Dagegen ist für die Beschwerde über die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts allein das Landessozialgericht zuständig (§ 145 Abs. 4 SGG). Hinsichtlich der weiteren Gründe, die gegen eine entsprechende Anwendung des § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO im sozialgerichtlichen Verfahren sprechen, folgt der Senat den überzeugenden Ausführungen des 19. Senats des Landes NRW vom 18.04.2007 (a.a.O.), auf die er sich bezieht.
Die Beschwerde ist auch begründet. Nach § 73a SGG in Verbindung mit den §§ 114,115 ZPO erhält ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klage bietet hinreichende Aussicht auf Erfolg. Dem steht nicht entgegen, dass die Mutter der Klägerin, die mit ihrer Tochter in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, die Klage im eigenen Namen erhoben hat. Aus der Klageschrift geht eindeutig hervor, dass es sich um einen Anspruch der Tochter S handelt. Diese ist, sofern die Voraussetzungen des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 SGB II vorliegen, anspruchsberechtigt. Anders als der auf die Erstausstattung einer Wohnung bezogene Bedarf sind die Bedarfe der § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und 3 personenbezogen. Deshalb ist hier der betroffene Hilfebedürftige anspruchsberechtigt (Eicher/Spellbrink, Kommentar zum SGB II, 2005, § 23 Rn. 90). Es handelt es sich bei den Ansprüchen zur Sic...