Entscheidungsstichwort (Thema)
Ausschluss von Grundsicherungsleistungen für einen bulgarischen Staatsangehörigen als EU-Neubürger
Orientierungssatz
1. Leistungsvoraussetzung für das Arbeitslosengeld 2 ist u. a. , dass der Berechtigte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik hat.
2. Ein Ausländer hat nur dann seinen gewöhnlichen Aufenthalt i. S. von § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SGB 2 in Deutschland, wenn er über einen Aufenthaltstitel verfügt, der den persönlichen Aufenthalt zulässt. Verlangt wird insoweit ein prognostisch auf Dauer gesicherter Aufenthalt, der die Beseitigung der Bedürftigkeit durch die Aufnahme einer Tätigkeit mit existenzsicherndem Ertrag ungefährdet erscheinen lässt.
3. Gemeinschaftlich freizügigkeitsberechtigt nach § 2 Abs. 2 Nrn. 1, 2, 5 FreizügG/EU und damit aufenthaltsberechtigt sind Unionsbürger, die sich als Arbeitnehmer, zur Arbeitsuche oder zur Berufsausbildung aufhalten wollen bzw. wenn sie zur Ausübung einer selbständigen Tätigkeit berechtigt sind oder nicht erwerbstätige Unionsbürger unter den Voraussetzungen des § 4 FreizügG/EU.
4. Die geltenden Übergangsbestimmungen beschränken einstweilen das Freizügigkeitsrecht bulgarischer Arbeitnehmer. Bulgarische Staatsangehörige bedürfen zunächst bis zum 31. 12. 2011 einer Arbeitserlaubnis-EU/Arbeitsberechtigung-EU nach § 284 SGB 3, die nur in Abhängigkeit vom Nichtvorhandensein bevorrechtigter Arbeitnehmer erteilt werden kann.
5. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt, sind nach § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB 2 vom SGB 2-Leistungsbezug ausgenommen. Angesichts der umstrittenen Vereinbarkeit dieser Vorschrift mit Gemeinschaftsrecht der EU sind vom Leistungsausschluss betroffenen freizügigkeitsberechtigten Alt-EU-Bürgern und Bürgern der neuen EU-Staaten nach Ablauf der für die jeweiligen Staaten geltenden einschränkenden Übergangsregelungen einstweilig Grundsicherungsleistungen nach dem SGB 2 zu gewähren.
6. Für einen bulgarischen Staatsangehörigen sind nach der geltenden Regelung Freizügigkeit und Zugang zum nationalen Arbeitsmarkt vorübergehend nur eingeschränkt eröffnet. Dies hat zur Folge, dass Sozialleistungen nicht uneingeschränkt zugänglich sind.
Tenor
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 25.07.2011 wird zurückgewiesen.
Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Der Antragstellerin wird ab dem 26.09.2011 Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren bewilligt und Rechtsanwalt X, X, beigeordnet.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt die Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für die Zeit ab dem 01.07.2011 im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die am 00.00.1969 geborene Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige. Am 14.02.2008 sprach sie bei der Ausländerbehörde der Stadt H vor. Sie gab an, dass sie am 01.02.2008 aus dem Ausland zugezogen sei. Grund ihres Aufenthaltes sei die Suche nach einem Arbeitsplatz. Nach einem Umzug nach T erklärte sie am 04.06.2008 gegenüber dem Ausländeramt des F-Kreises, dass die Suche eines Arbeitsplatzes Grund ihres Aufenthaltes sei. Sie suche einen Arbeitsplatz und versuche gleichzeitig, sich im Reisegewerbe selbständig zu machen. Sie habe ihr Haus in Bulgarien verkauft und lebe von dem Erlös. Der F-Kreis erteilte der Antragstellerin am 04.06.2008 eine Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU. In der Freizügigkeitsbescheinigung wird ausgeführt, dass bei Entfall der Freizügigkeitsvoraussetzungen, vor allem der eigenständigen Sicherstellung des Lebensunterhalts, innerhalb der ersten fünf Jahre des ständigen Aufenthaltes im Bundesgebiet der Verlust des Rechtes der Antragstellerin auf Einreise und Aufenthalt festgestellt und die Bescheinigung über das gemeinschaftsrechtliche Aufenthaltsrecht eingezogen werden könne. Am 24.07.2008 erteilte die Agentur für Arbeit X der Antragstellerin eine Arbeitserlaubnis - EU für die Tätigkeit bei der Firma U-Textil-Industrie Näherei, J 00, X, für die Zeit vom 24.07.2008 bis 23.07.2009. In der Zeit vom 01.10. bis 31.10.2008 übte die Antragstellerin eine abhängige Beschäftigung aus. Die Ausländerbehörde der Stadt F meldete die Antragstellerin am 09.12.2008 wegen Fortzugs nach unbekannt am 02.12.2008 ab.
Am 14.05.2009 meldete sich die Antragstellerin in C an. Die Stadt C erteilte der Antragstellerin eine Bescheinigung nach § 5 FreizügG/EU, wonach die Antragstellerin zur Einreise und zum Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland bis 03.06.2013 berechtigt ist. In der Bescheinigung heißt es, dass die Inhaberin dieser Bescheinigung zur Aufnahme einer unselbständigen, arbeitsgenehmigungspflichtigen Erwerbstätigkeit eine Arbeitserlaubnis- oder Arbeitsberechtigung - EU benötige. Durch Bescheid vom 09.09.2009 lehnte die ARGE Job-Center-C den Antrag der Antragstellerin vom 26.08.2009 auf Gewährung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II unter Berufung ...