Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Leistungsausschluss für Ausländer bei Aufenthalt zur Arbeitsuche. Unionsbürger. Vorliegen eines anderen Aufenthaltsrecht. Arbeitnehmerstatus
Orientierungssatz
1. Nach § 7 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 2 werden ausländische Staatsangehörige bzw Unionsbürger aus dem Kreis der Leistungsberechtigten ausgeschlossen, wenn sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Das Vorliegen der Voraussetzungen für ein anderes materiell bestehendes Aufenthaltsrecht hindert die positive Feststellung eines Aufenthaltsrechts allein zum Zweck der Arbeitsuche (vgl BSG vom 3.12.2015 - B 4 AS 43/15 R = BSGE 120, 139 = SozR 4-4200 § 7 Nr 46).
2. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist als Arbeitnehmer jeder anzusehen, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt. Nur solche Tätigkeiten bleiben außer Betracht, die einen so geringen Umfang haben, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellen. Hier wird der Arbeitnehmerstatus unter Berücksichtigung einer durchschnittliche Monatsvergütung in Höhe von 162 Euro anerkannt.
Tenor
Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Dortmund vom 18.04.2016 geändert. Der Antragsgegner wird verpflichtet, der Antragstellerin für die Zeit vom 28.01.2016 bis zum 31.10.2016 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes in Form des Regelbedarfs nach dem SGB II, aber unter Anrechnung des von der Antragstellerin jeweils erzielten Einkommens in voller Höhe, nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Der Antragsgegner trägt die Kosten der Antragstellerin für das gesamte Verfahren zur Hälfte. Im Übrigen werden Kosten nicht erstattet.
Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren ab Antragstellung Prozesskostenhilfe gewährt und Rechtsanwalt I, X-straße 00, I beigeordnet.
Gründe
I.
Die Antragstellerin begehrt, den Antragsgegner im Rahmen eines Verfahrens auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, ihr Grundsicherungsleistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) einschließlich Leistungen zur Deckung ihrer Bedarfe für Unterkunft und Heizung zu gewähren.
Die am 00.00.1960 geborene, verwitwete Antragstellerin ist bulgarische Staatsangehörige. Nach ihren Angaben lebt sie bereits seit Juli 2009 in Deutschland. Seit November 2015 bewohnt sie eine Mietwohnung unter der Adresse H-str. 00 in I. Nach einer Mahnung des Vermieters vom 23.05.2016 sind zu diesem Zeitpunkt Mietrückstände von 2.940,00 EUR aufgelaufen. Seit Anfang des Jahres 2013 begehrte die Antragstellerin immer wieder die Gewährung von Leistungen nach dem SGB II, die sie zum Teil im Rahmen von Verfahren auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes durchsetzen konnte.
Nach vorläufigen Feststellungen übte die Klägerin in der Zeit vom 15.10. bis 31.12.2015 eine Tätigkeit als Reinigungskraft für die Firma Hausmeisterservice U, Inhaber Z L, aus. Sie erwirtschaftete daraus für Oktober einen Verdienst von 204,00 EUR, für November von 255,00 EUR und für Dezember von 136,00 EUR. Bereits seit dem Jahr 2014 arbeitete sie ebenfalls als Reinigungskraft für die Firma C, Inhaber S H. Sie wurde und wird auf Abruf tätig und erwirtschaftete insbesondere auch die folgenden Beträge: Dezember 2015: 51,00 EUR, Januar, März, April, Mai und Juni 2016 jeweils 119,00 EUR, im Februar 2016 110,50 EUR. Ferner nahm die Antragstellerin am 27.01.2016 eine unbefristete Tätigkeit als Zeitungsausträgerin bei der Firma X GmbH auf. Für Januar 2016 betrug ihr Verdienst 13,65 EUR. In den folgenden Monaten schwankte er zwischen etwa 57,00 EUR und 71,00 EUR. Soweit aus der Akte ersichtlich wurden die Tätigkeiten von den unterschiedlichen Arbeitgebern jeweils ordnungsgemäß buchhalterisch abgerechnet, es erfolgte eine ordnungsgemäße Anmeldung zur Minijobzentrale und es liegen jeweils schriftliche Arbeitsverträge vor.
Am 04.11.2015 stellte die Antragstellerin bei dem Antragsgegner einen Weiterbewilligungsantrag. Der Antrag ist bisher nicht beschieden.
Am 28.01.2016 ersuchte die Antragstellerin schließlich um einstweiligen gerichtlichen Rechtsschutz nach. Das Sozialgericht Dortmund hat den Antrag mit Beschluss vom 18.04.2016 abgelehnt. Es bestehe kein Anordnungsanspruch, da die Antragstellerin unter den Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 SGB II falle. Ein Aufenthaltsrecht der Antragstellerin generiere sich insbesondere nicht aus ihren Tätigkeiten als Arbeitnehmerin für die vorgenannten Firmen. Die Tätigkeiten stellten sich jeweils einzeln betrachtet als völlig untergeordnet und unwesentlich dar. Eine Verpflichtung der Beigeladenen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) käme ebenfalls nicht in Betracht. Die Leistungsgewährung nach dem SGB XII sei durch die gesetzlichen Vorgaben für die erwerbsfähige, 56 Jahre alte Antragstellerin ausgeschlossen. Die entgegenstehende Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) verkenn...