Entscheidungsstichwort (Thema)
Leistungsausschluss für Ausländer nach § 7 Abs. 1 S. 2 SGB 2
Orientierungssatz
1. Der Leistungsausschluss des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB 2 erfasst u. a. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Ein Arbeitnehmer i. S. von § 2 Abs. 1 und 2 Br. 1 FreizügG/EU hat unabhängig von der Arbeitsuche ein Aufenthaltsrecht, es sei denn, seine Tätigkeit hat einen so geringen Umfang, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt.
2. Das Aufenthaltsrecht besteht nach der Rechtsprechung des EuGH auch dann, wenn der Antragsteller weniger als das Existenzminimum verdient.
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Detmold vom 09.08.2007 wird zurückgewiesen. Die Antragsgegnerin trägt auch die erstattungsfähigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin G aus C beigeordnet.
Gründe
Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin vom 06.09.2007, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat (Nichtabhilfebeschluss vom 07.09.2007), ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat die Antragsgegnerin zu Recht im Wege der einstweiligen (Regelungs-) Anordnung gemäß § 86 b Abs. 2 S. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) dem Grunde nach verpflichtet, der Antragstellerin Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) zu gewähren. Der Senat verweist zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Beschluss (§ 142 Abs. 2 S. 3 SGG). Der Senat teilt insbesondere die Auffassung, dass für die Antragstellerin als polnische Staatsangehörige der Leistungsausschluss gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II in der jeweils geltenden Fassung wegen der ausgeübten geringfügigen Beschäftigung im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) nicht greift.
Nach der bis zum 27.08.2007 geltenden Fassung des § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II waren Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergab, ihre Familienangehörigen sowie Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes von den Leistungen nach dem SGB II ausgeschlossen. Nach der seit dem 28.08.2007 und damit für einen Zeitpunkt nach Beschlussfassung des Sozialgerichts geltenden Fassung des Art. 6 Absatz 9 Nr. 2 des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (Bundesgesetzblatt I S. 1970) sind gemäß § 7 Abs. 1 S. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen
1. Ausländer, die weder in der Bundesrepublik Deutschland Arbeitnehmer oder Selbstständige noch aufgrund des § 2 Abs. 3 des Freizügigkeitsgesetzes/EU freizügigkeitsberechtigt sind, und ihre Familienangehörigen für die ersten drei Monate Aufenthalts,
2. Ausländer, deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt, und ihre Familienangehörigen,
3. Leistungsberechtigte nach § 1 des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Die Gesetzesänderung ist im Ergebnis für die Antragstellerin ohne Bedeutung.
Der Aufenthalt der Antragstellerin ergibt sich nicht allein aus dem Zweck der Arbeitssuche. Ohne Belang ist insoweit, ob die Antragstellerin ursprünglich allein zur Arbeitssuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist. Nach den mit der Beschwerdebegründung nicht angegriffenen Ausführungen des Sozialgerichts geht die Antragstellerin einer geringfügigen Beschäftigung im Umfang von bis zu 14 Wochenstunden bei einem Lohn von 286,10 EUR monatlich nach. Die Antragstellerin hat daher als Staatsangehörige Polens gemäß § 2 Abs. 1 und 2 Nr. 1 des Freizügigkeitsgesetzes/EU unabhängig von der Arbeitssuche ein Aufenthaltsrecht. Denn sie ist als Arbeitnehmerin im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Im Freizügigkeitsgesetz/EU findet sich eine Definition des Begriffs "Arbeitnehmer" im Sinne des Gesetzes nicht. Demzufolge fehlt auch eine Bestimmung, wonach "Arbeitnehmer" im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 1 Freizügigkeitsgesetz/EU nur ein mehr als geringfügig Beschäftigter wäre (vgl. auch Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 14.11.2006, L 14 B 936/06 AS ER). Die Begriffsbestimmung gebietet unter Berücksichtigung der Zielrichtung des Gesetzes als Umsetzung der Richtlinie 2004/38/EG vom 29. April 2004 eine gemeinschaftsrechtliche Auslegung (vgl. etwa Waltermann/Kämpfer, Der Betrieb 2006,893). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) fällt jeder Arbeitnehmer, der eine tatsächliche und echte Tätigkeit ausübt, mit Ausnahme derjenigen Arbeitnehmer, deren Tätigkeit einen so geringen Umfang hat, dass sie sich als völlig untergeordnet und unwesentlich darstellt, unter die Vorschriften über Freizügigkeit (vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 23.03.1982, Levin, 53/81, Slg. 1982, 1035, RdNr. 17).
Die von der Antragstellerin ausgeübte Tätigkeit erweist sich in diesem Sinne entgegen der Rechtsauffassung der Antragsgegnerin nicht als völlig untergeordnet und unwesentlich. Dies g...