Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitragsbemessung von Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Recht der Krankenversicherung
Orientierungssatz
1. § 26 Abs. 2 SGB 4 ist eine spezialgesetzliche Ausprägung des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs, durch den eine rechtsgrundlose Vermögensverschiebung ausgeglichen werden soll. Beiträge sind dann zu Unrecht entrichtet, wenn sie im Zeitpunkt ihrer Entrichtung mangels Versicherungs- und Beitragspflicht dem Grunde oder der Höhe nach ohne Rechtsgrund gezahlt worden sind.
2. Gleichmäßig arbeitnehmer- und arbeitgeberseitig finanzierte Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge unterliegen gemäß § 229 Abs. 1 Nr. 5 SGB 5 der Beitragsbemessung in der Krankenversicherung.
3. Sie sind mit dem vollen Beitragssatz zu bemessen. Dieser ist nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB 5 allein vom Versicherten zu tragen.
4. Es gibt keine verfassungsmäßige Rechtfertigung dafür, Dritte mit der hälftigen Beitragszahlung zu belasten.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 10. März 2020 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die alleinige Beitragstragung in der gesetzlichen Krankenversicherung aus seinen Versorgungsbezügen.
Der am 00.00.1958 geborene Kläger ist langjährig bei der Beklagten kranken- und pflegeversichert; seit dem 24. August 2018 ist er bei ihr pflichtversichert in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR). Die Mitgliedschaft ab diesem Zeitpunkt wurde durch die Beklagte auch entsprechend festgestellt.
Der Kläger bezieht seit dem 1. Februar 2018 Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge von der Beklagten, der DAK-Gesundheit, bei der er zuvor abhängig beschäftigt war, sowie seit dem 1. August 2018 eine Betriebsrente der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL). Hinsichtlich der monatlichen Auszahlungen wird auf die von ihm vorgelegten Unterlagen der Beklagten und der VBL Bezug genommen. Über den gesamten Zeitraum der Ansparphase wurden die jeweilige Beitragszahlung sowohl durch den Kläger als auch durch seine Arbeitgeberin finanziert.
Seit August 2018 werden die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung von den jeweiligen Zahlstellen aus den Leistungen der betrieblichen Altersvorsorge errechnet, einbehalten und direkt an die Beklagte abgeführt. Beitragsbescheide erließ die Beklagte insofern nicht. Sie nutzt stattdessen das sog. Zahlstellenverfahren nach §§ 202, 256 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V).
Der Kläger beantragte bei der Beklagten die Erstattung der seiner Ansicht nach zu viel abgeführten Krankenversicherungsbeiträge ab August 2018 sowie eine Reduzierung derselben ab Januar 2019 (Schreiben vom 30. Dezember 2018). Im Rahmen der erhaltenen Versorgungsbezüge verstoße seine alleinige Belastung mit den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gegen Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Es liege eine Ungleichbehandlung gegenüber den Beziehern einer knappschaftlichen Rente vor. Die knappschaftliche Rente sei zugleich gesetzliche Rente und betriebliche Altersvorsorge. Die Krankenversicherungsbeiträge der knappschaftlichen Rentenversicherung würden jedoch nur zur Hälfte durch den Rentenbezieher und zur anderen Hälfte durch die knappschaftliche Rentenversicherung getragen.
Die Beklagte lehnte die rückwirkende Korrektur der Beitragstragung ab (Bescheid vom 5. Februar 2019). Mit Wirkung vom 1. Januar 2004 habe der Gesetzgeber mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung die Regelungen zur Beitragserhebung neu geregelt. Für versicherungspflichtige Versicherte gelte für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen der allgemeine Beitragssatz von zurzeit 16,1%. Dieser Beitragssatz gelte auch für den Kläger als pflichtversicherten Rentner.
Dagegen legte der Kläger mit Schreiben vom 10. Februar 2019 Widerspruch ein. Die ungleiche Beitragserhebung aus seinen Versorgungsbezügen/Betriebsrenten im Verhältnis zu der betrieblichen Altersversorgung der Bergleute stelle einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG dar.
Die Beklagte wies den Widerspruch als unbegründet zurück (Widerspruchsbescheid vom 9. Juli 2019). Die Voraussetzungen für einen Beitragserstattungsanspruch nach § 26 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) lägen nicht vor. Es sei kein Grund ersichtlich, dass die Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu Unrecht entrichtet worden seien. Bei krankenversicherungspflichtigen Rentnern unterlägen neben der Rente auch rentenvergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) der Beitragspflicht zur Krankenversicherung, § 237 i.V.m. § 229 SGB V. Für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen gelte der allgemeine kassenindividuelle Beitragssatz, § 248 SGB V. Nach § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB V würden Versicherungspflichtige die Beiträge aus den Versorgungsbezügen allein tragen. Eine hälftige Tragung der Beiträge durch den Kläger und eine andere Stelle/Institution sei nicht...