Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung der angemessenen Kosten für die Unterkunft - Bewilligung von Prozesskostenhilfe
Orientierungssatz
1. Prozesskostenhilfe ist nach § 73a SGG zu bewilligen, wenn die gerichtliche Entscheidung von der Beantwortung einer schwierigen Rechtsfrage abhängt.
2. Die Feststellung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nach § 22 SGB 2 hat auf der Grundlage eines schlüssigen Konzepts zu erfolgen. Der maßgebliche Vergleichsraum bestimmt sich nach einem ausreichend großen Raum der Wohnbebauung, der aufgrund räumlicher Nähe, Infrastruktur und verkehrstechnischer Verbundenheit einen homogenen Lebens- und Wohnbereich bildet. Erfüllt das vom Grundsicherungsträger verwendete Konzept diese Voraussetzungen nicht, so kann es der Bestimmung der angemessenen Kosten der Unterkunft nicht zugrunde gelegt werden.
Tenor
Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Aachen vom 04.09.2020 geändert. Dem Kläger wird für das erstinstanzliche Verfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt L, X, beigeordnet.
Gründe
I.
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für ein Klageverfahren, das auf die Aufhebung der Ablehnung eines Antrags nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II iVm § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X und die teilweise Rücknahme früherer Bewilligungsbescheide unter Berücksichtigung höherer Kosten der Unterkunft und Heizung gerichtet ist.
Der 1966 geborene Kläger bezog ab 2014 gemeinsam mit seiner Ehefrau I N vom Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Der Beklagte übernahm die Kosten der Unterkunft der vom Kläger und seiner Ehefrau bewohnten Wohnung M-Allee 00 in Eschweiler vollständig, wies jedoch mit Schreiben vom 26.01.2015 auf die von ihm für die Stadt Eschweiler ermittelten Angemessenheitswerte hin. Der Kläger beantragte nach dem Ablauf des bis zum 31.12.2015 reichenden Bewilligungszeitraums keine Weiterbewilligung seiner Leistungen. Während der Kläger sich im Februar/ März 2016 in einer Rehabilitationsmaßnahme befand, schloss seine Ehefrau einen eigenständigen Mietvertrag über die Wohnung M-Allee 00 in Eschweiler ab und wies den Kläger anschließend schriftlich darauf hin, dass er die Wohnung nicht mehr betreten dürfe.
Der Kläger schloss am 23.03.2016 einen Mietvertrag über die Wohnung L1-Str. 00 in Stolberg zu Gesamtkosten iHv 479,10 EUR (Kaltmiete iHv 330 EUR zuzüglich Betriebskosten iHv 80 EUR zuzüglich Heizkosten iHv 69,10 EUR) ab. Mietbeginn war der 01.05.2016. Am 28.04.2016 beantragte der Kläger beim Beklagten erneut Leistungen. Der Beklagte berücksichtigte die Kosten der Wohnung in der Folge nur iHv 407,60 EUR (Kaltmiete iHv 258,50 EUR zuzüglich Nebenkosten iHv 80 EUR zuzüglich Heizkosten iHv 69,10 EUR). Die Höhe der übernommenen Bruttokaltmiete iHv 338,50 EUR beruhte auf dem zum damaligen Zeitpunkt gültigen "schlüssigen Konzept" der Firma Analyse & Konzepte. Diese hatte bei der Ermittlung der angemessenen Kosten der Unterkunft die Gemeinden der Städteregion Aachen in drei Wohnungsmarkttypen (Wohnungsmarkttyp 1: Aachen; Wohnungsmarkttyp 2: Alsdorf, Baesweiler, Eschweiler, Herzogenrath, Stolberg, Würselen; Wohnungsmarkttyp 3: Monschau, Simmerath) unterteilt und für jeden Wohnungsmarkttyp gesondert die Höhe der angemessenen Unterkunftskosten ermittelt. Der Beklagte legte den Angemessenheitswert von 407,60 EUR für die Kosten der Unterkunft und Heizung auch in den Bescheiden vom 02.08.2017 und 25.11.2017 für den Bewilligungszeitraum von September 2017 bis August 2018 zugrunde. In den Bescheiden vom 31.07.2018 und 24.11.2018 für den Bewilligungszeitraum von September 2018 bis August 2019 berücksichtigte der Beklagte nunmehr Kosten der Unterkunft und Heizung iHv 427,10 EUR (Grundmiete iHv 298,90 EUR zuzüglich Nebenkosten iHv 59,10 EUR zuzüglich Heizkosten iHv 69,10 EUR). Die Erhöhung der angemessenen Bruttokaltmiete auf 358 EUR beruhte auf dem neuen "Konzept zur Ermittlung der Bedarfe für Kosten und Unterkunft 2018" der Firma Analyse & Konzepte, in der die Angemessenheitswerte wiederum unter Einbeziehung einer Clusteranalyse und unter Bildung von Wohnungsmarkttypen ermittelt worden waren.
Im Rahmen einer Vorsprache beim Beklagten am 02.01.2019 beantragte der Kläger, "die vorgenommene Senkung der Unterkunftskosten zurückzunehmen". Infolge einer Räumungsklage zog der Kläger zum 01.07.2019 von der Wohnung L1-Str. 00 in Stolberg in die Wohnung H-Str. 00 in Stolberg um. Der Kläger erinnerte den Beklagten mit Schreiben vom 17.09.2019 an die Bearbeitung seines Antrags. Ihm sei es von Januar 2018 bis Juli 2019 wegen einer psychischen Erkrankung nicht möglich gewesen, umzuziehen. Einen Antrag auf Kostensenkung habe er schon am 02.01.2018 gestellt. Eine angekündigte Untersuchung durch den medizinischen Dienst des Beklagten habe dann nicht stattgefunden. Auch eine Aufforderung zur Kostensenkung habe er niemals erhalten.
Im Anschluss an eine beim Sozialgericht Aachen erho...