Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückverweisung im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Rechtliches Gehör. Aufklärung des Sachverhalts. Eilbedürftigkeit
Orientierungssatz
1. Im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in entsprechender Anwendung von § 159 SGG eine Zurückverweisung zulässig.
2. Das Verfahren leidet an einem wesentlichen Mangel i. S. dieser Vorschrift, wenn das Gericht den Anspruch auf rechtliches Gehör nach § 62 SGG oder seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts nach § 103 SGG verletzt hat.
3. Der Aufhebungsbeschluss ist Ermessensentscheidung. Dabei sind die Gesichtspunkte der Prozesswirtschaftlichkeit, des Beschleunigungsgebotes und der Effektivität des Rechtsschutzes sowie die Interessen des Antragstellers an der Zurückverweisung zu berücksichtigen.
Normenkette
SGG § 86b Abs. 2 S. 2, §§ 159, 62, 103
Tenor
Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Sozialgerichts Duisburg vom 25.05.2016 aufgehoben. Der Rechtsstreit wird an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Gründe
Angesichts des Umstands, dass das Sozialgericht den Antragsgegner zur sofortigen Auszahlung von 1000 EUR verpflichtet hat, der hieraus resultierenden besonderen Eilbedürftigkeit und weil lediglich ein ordnungsgemäßes erstinstanzliches Verfahren gesichert wird, ohne dem Antragsteller endgültig Rechte abzusprechen, konnte der Senat ausnahmsweise ohne vorherige Anhörung des Antragstellers entscheiden. Ohne die Zurückverweisung hätte dem Vollstreckungsschutzantrag des Antragsgegners nach § 199 Abs. 2 SGG sofort stattgegeben werden müssen.
Die zulässige Beschwerde ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.
Auch in Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ist in entsprechender Anwendung von § 159 SGG eine Zurückverweisung zulässig (Beschluss des Senats vom 03.12.2015 - L 7 AS 2005/15 B ER; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.08.2014 - L 19 AS 1341/14 B ER; Sächsisches LSG, Beschluss vom 30.07.2014 - L 3 AS 796/14 B ER; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 18.11.2011 - L 5 KR 202/11 B ER; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.03.2009 - L 3 AS 148/09 B ER).
Das Verfahren vor dem Sozialgericht leidet an einem wesentlichen Mangel im Sinne dieser Vorschrift. Das Sozialgericht hat den Anspruch des Antragsgegners auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) sowie seine Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts (§ 103 SGG) in gravierender Weise verletzt. Aufgrund dieser Mängel ist nach den Maßstäben des einstweiligen Rechtsschutzes eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig.
Der Antragsgegner hatte vor Beschlussfassung keine Gelegenheit zur Stellungnahme, was umso schwerer wiegt, als das Sozialgericht zur Begründung seiner Entscheidung Sachverhaltsunterstellungen zu Lasten des Antragsgegners vorgenommen hat, zu denen diesem vorher zwingend Gelegenheit zur Stellungnahme hätte gegeben werden müssen. Der Umstand, es sei angeblich "gerichtsbekannt, dass die Antragsgegnerin mit der Arbeit im Rückstand ist", ersetzt die Prüfung von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund im Einzelfall nicht. Mit dem Schriftsatz vom 01.06.2016, den das Sozialgericht aufgrund seiner übereilten Entscheidung nicht mehr zur Kenntnis genommen hat, hat der Antragsgegner nachvollziehbar dargelegt, welche Unterlagen zur Prüfung der Hilfebedürftigkeit noch erforderlich sind und fehlen.
Das Sozialgericht wird aufklären müssen, ob die Behauptung des Antragsgegners bezüglich einer fehlenden Mitwirkung des Antragstellers im Verwaltungsverfahren zutrifft. Falls ja bestehen Zweifel an der Zulässigkeit des Eilverfahrens bzw. der Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes iSd § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG. Hält das Sozialgericht den Eilantrag für zulässig und einen Anordnungsgrund für gegeben, wird es aufklären müssen, ob der Antragsteller einen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht hat, wofür die vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 01.06.2016 erwähnten Unterlagen beigezogen und ausgewertet werden müssen.
Für die Verpflichtung des Antragsgegners "sofort 1000 EUR an den Antragsteller auszuzahlen" fehlt zudem eine Rechtsgrundlage. In einem Eilverfahren, das der Sicherung der Rechte des Antragstellers dient, dürfen keine Verpflichtungen ausgesprochen werden, die nicht auch in einem Hauptsacheverfahren begründet werden könnten.
Bei der Ausübung seines Ermessens hat der Senat sich unter Berücksichtigung der Prozesswirtschaftlichkeit, des Beschleunigungsgebotes und der Effektivität des Rechtsschutzes sowie der Einbeziehung der berechtigten Interessen der Antragsteller zur Zurückverweisung entschieden. Maßgeblich hierfür ist, dass den Beteiligten andernfalls entgegen der gesetzlichen Ausgestaltung des Instanzenzugs eine Instanz im einstweiligen Rechtsschutzverfahren entzogen würde, in der ihr Begehren in rechtstaatlicher und prozessordnungsgemäßer Weise geprüft wird (zu diesem Gesichtspunkt auch LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 25.03.2009 - L 3 AS 148/09 B ER).
Das Sozialgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, se...