Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Zulässigkeit eines erneuten Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung

 

Orientierungssatz

1. Auch Beschlüsse im einstweiligen Rechtschutzverfahren, mit denen ein Antrag abgelehnt wurde, erwachsen in materielle Rechtskraft, sofern kein Rechtsmittel mehr gegeben ist. Ein angefochtener Bescheid ist nicht rechtskräftig, solange des Anfechtungsbegehren im Berufungsverfahren weiterverfolgt wird.

2. Ein wiederholter Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung kann zulässig sein, wenn nach Eintritt der Rechtskraft neue Tatsachen entstanden sind oder eine veränderte Rechtslage vorliegt ( LSG Essen, Beschluss vom 23. 7. 2007, L 19 B 86/07 AS).

 

Tenor

Der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der beim Sozialgericht Münster anhängigen Klage S 14 BA 60/18 gegen den Bescheid vom 14.12.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2018 wird als unzulässig verworfen. Die Kosten des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens trägt die Antragstellerin. Der Streitwert wird für das einstweilige Rechtsschutzverfahren auf 9.457,47 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I.

Streitig ist die Vollziehung der mit Bescheid der Antragsgegnerin vom 14.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2018 geltend gemachten Beitragsforderung in Höhe von 37.829,88 Euro.

Die (zunächst) von der Antragstellerin begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruchs gegen den Bescheid vom 14.12.2017 lehnte der Senat im Beschwerdeverfahren mit Beschluss vom 10.7.2018 - L 8 BA 55/18 B ER - unter Aufhebung des stattgebenden Beschlusses des Sozialgerichts (SG) Münster vom 20.3.2018 - S 14 BA 9/18 ER - ab. Das SG Münster lehnte sodann mit Beschluss vom 15.11.2018 - S 4 BA 59/18 ER - die von der Antragstellerin begehrte Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage S 14 BA 60/18 ab. Dieser Beschluss wurde der Antragstellerin am 20.11.2018 zugestellt und von ihr nicht mit der Beschwerde angefochten.

Im Klageverfahren S 14 BA 60/18 hat das SG Münster die Klage mit Urteil vom 14.2.2020 abgewiesen. Gegen das ihr am 10.3.2020 zugestellte Urteil hat die Antragstellerin am 14.4.2020 Berufung eingelegt (L 8 BA 52/20 Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen [LSG NRW]). In der Begründung wendet sie sich gegen die Rechtsanwendung und Beweiswürdigung des SG.

Die Antragsgegnerin ist dem Berufungsvorbringen entgegengetreten und verteidigt das Urteil.

Mit zum Berufungsverfahren eingereichtem Schriftsatz vom 12.5.2020 begehrt die Antragstellerin erneut einstweiligen Rechtsschutz. Sie trägt vor, dass ihr Vollstreckungsmaßnahmen drohten. Im Falle der Vollstreckung werde sie in erhebliche wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten. Gegenüber dem Beschluss des Senats vom 10.7.2018 - L 8 BA 55/18 B ER - sei nach bzw. mit dem angefochtenen Urteil des SG Münster vom 14.2.2020 eine andere Rechtslage eingetreten. Der Geschäftsführer der Antragstellerin habe nach § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) notwendig beigeladen werden müssen. Es liege ein Verfahrensfehler vor, der eine Nichtzulassungsbeschwerde nach § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG bzw. § 160 Nr. 3 SGG begründen könne und der von Amts wegen zu beachten sei. Nach der Rechtsprechung des BSG im Urteil vom 19.9.2019 - B 12 R 25/18 R - sei für die Beurteilung der Tätigkeit des Geschäftsführers einer GmbH in erster Linie maßgeblich, ob dieser nach der ihm zukommenden Rechtsmacht ihm nicht genehme Weisungen verhindern oder Beschlüsse beeinflussen könne, die sein Anstellungsverhältnis beträfen. Das BSG habe diese Kriterien nicht kumulativ, sondern alternativ erwähnt. Nach § 9 des Gesellschaftsvertrages könne der Geschäftsführer der Antragstellerin sämtliche Beschlüsse, die sein Anstellungsverhältnis beträfen, nicht nur beeinflussen, sondern sogar verhindern.

Die Antragstellerin beantragt sinngemäß,

die aufschiebende Wirkung der beim Sozialgericht Münster erhobenen Klage S 14 BA 60/18 gegen den Bescheid vom 14.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2018 anzuordnen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie trägt vor, eine Änderung der Sach- und Rechtslage sei gegenüber dem Beschluss des erkennenden Senats vom 10.7.2018 - L 8 BA 55/18 B ER - nicht eingetreten. Der Senat habe die Möglichkeit, die Verfahrensrüge im Hauptsacheverfahren zu heilen und den Geschäftsführer der Antragstellerin, Herrn Q P, beizuladen. Auch ein Anordnungsgrund sei von der Antragstellerin weiterhin nicht dargetan.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Streitakten, der Verwaltungsakten der Antragsgegnerin und der beigezogenen Streitakten S 14 BA 9/18 ER und S 4 BA 59/18 ER des SG Münster Bezug genommen.

II.

Der Antrag der Antragstellerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der beim SG Münster unter dem Az. S 14 BA 60/18 erhobenen Klage gegen den Bescheid vom 14.12.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.7.2018 ist unzulässig. Die materielle Rechtskraft sowohl des ablehnenden Senatsbeschlusses vom 10.7.2018 - L 8 ...

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