Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr - Ausschluss der Geschäftsgebühr nach Inanspruchnahme der Beratungsgebühr
Orientierungssatz
1. Auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG ist die nach Nr. 2302 VV RVG in derselben Angelegenheit erstattete Geschäftsgebühr gemäß Vorbemerkung 3 Abs. 4 VV RVG zur Hälfte anzurechnen.
2. Ist dem Kläger Beratungshilfe bewilligt worden, so kommt nach dem Beratungshilfegesetz nur eine Anrechnung der tatsächlich gezahlten Gebühr in Betracht. Eine fiktive Geschäftsgebühr ist nicht anzurechnen, weil gemäß § 8 Abs. 2 BerHG die Bewilligung von Beratungshilfe bewirkt, dass die Beratungsperson gegen den Rechtsuchenden keinen Anspruch auf Vergütung mit Ausnahme der Beratungshilfegebühr nach § 44 S. 2 RVG geltend machen kann.
Tenor
Auf die Beschwerde der Beschwerdeführerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 03.06.2020 abgeändert und der an die Beschwerdeführerin im Wege der Prozesskostenhilfevergütung aus der Staatskasse insgesamt zu entrichtende Betrag auf 589,05 EUR festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten sind nicht zu erstatten.
Gründe
I.
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe der aus der Staatskasse zu erstattenden Vergütung streitig.
Gegenstand des zugrunde liegenden Hauptsacheverfahrens vor dem Sozialgericht Köln (SG) war die Erstattung höherer Kosten im Widerspruchsverfahren. Mit Kostenfestsetzungsbescheid vom 26.05.2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.2017 setzte der Beklagte des Hauptsacheverfahrens die zu erstattenden Kosten für ein Widerspruchsverfahren der insgesamt vier Kläger auf 249,90 EUR fest. Die Kläger waren in diesem Widerspruchsverfahren durch die Beschwerdeführerin vertreten. Am 16.08.2017 erhoben die Kläger, vertreten durch die Beschwerdeführerin, Klage. Mit Beschluss vom 25.09.2017 bewilligte das SG den Klägern ratenfreie Prozesskostenhilfe und ordnete die Beschwerdeführerin bei. Am 06.11.2018 wurde der Beschwerdeführerin antragsgemäß ein Prozesskostenhilfevorschuss in Höhe von 362,95 EUR brutto ausgezahlt. Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 27.11.2018 verurteilte das SG den Beklagten unter Abänderung der entgegenstehenden Bescheide, den Klägern insgesamt 476,00 EUR als Kosten des Widerspruchsverfahrens zu erstatten und wies die Klage im Übrigen ab. Der Beklagte trage die außergerichtlichen Kosten der Kläger zu 1/2. Auf den Kostenfestsetzungsantrag für das Vorverfahren erstattete der Beklagte den Klägern antragsgemäß 238,00 EUR (Geschäftsgebühr Nr. 2302 Vergütungsverzeichnis (VV) Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) einschließlich Gebührenerhöhung gem. Nr. 1008 VV RVG um 90 % wegen vier Auftraggebern 380,00 EUR; Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR; Abzug vom Netto (50 %) -200,00 EUR zzgl.19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 38,00 EUR).
Am 25.04.2019 hat die Beschwerdeführerin die Festsetzung der Vergütung aus der Staatskasse wie folgt beantragt:
|
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG einschließlich Gebührenerhöhung gem. Nr. 1008 VV RVG um 90 % wegen vier Auftraggebern 380,00 EUR Terminsgebühr Nr. 3106 VV RVG 180,00 EUR Auslagenpauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Abzug vom Netto - Vorschuss PKH - 305,00 EUR 19 % Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 52,25 EUR Summe = 327,25 EUR |
Eine Anrechnung der Kosten des Vorverfahrens sei nicht vorgenommen worden. Die Kostenquote belaufe sich auf 1/2, eine Anrechnung nach § 15a Abs. 1 RVG sei noch nicht geboten.
Am 10.05.2019 hat die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die noch zu zahlende Vergütung auf 119,00 EUR festgesetzt. Sie hat auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3102 VV RVG i.V.m. Nr. 1008 VV RVG i.H.v. 380,00 EUR unter Berufung auf die anwaltliche Vertretung bereits im Vorverfahren und eine dadurch entstandene Geschäftsgebühr nach VV 2302 VV RVG i.V.m. Nr. 1008 VV RVG (380,00 EUR) einen Betrag i.H.v. 175,00 EUR nach Vorbemerkung 3 (4) VV RVG angerechnet. In der Begründung des Beschlusses hat sie sich im Wesentlichen auf die Rechtsprechung des LSG NRW, Beschlüsse vom 01.02.2017 zu L 19 AS 1408/16 B und vom 12.10.2018 zu L 19 AS 814/18 B berufen.
Am 16.05.2019 hat die Beschwerdeführerin bei dem SG Erinnerung eingelegt und sich gegen die Anrechnung der Geschäftsgebühr i.H.v. 175,00 EUR auf die Verfahrensgebühr gewandt. Grundsätzlich finde nach Vorbemerkung zum Teil 3 Abs. 4 VV RVG eine Anrechnung der entstandenen Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr statt, allerdings sei auch die Regelung des § 15a Abs. 1 RVG zu berücksichtigen. Der Rechtsanwalt könne von seinem Auftraggeber beide Gebühren fordern, wenn das RVG die Anrechnung einer Gebühr auf einer anderen Gebühr vorsehe, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag beider Gebühren. Der Gesamtbetrag von Verfahrens- und Geschäftsgebühr belaufe sich auf 380,00 EUR x 2 = 760,00 EUR. Vermindert um den Anrechnungsbetrag i.H.v. 175,00 EUR begrenze sich der von dem Anwalt zu fordernde Betrag auf 585,00 EUR. Vorliegend werde im Rahmen der PKH-Abrechnung ein Be...