Entscheidungsstichwort (Thema)
Bemessung der Geschäftsgebühr des Rechtsanwalts für dessen Tätigkeit in einem Widerspruchsverfahren. Erledigungsgebühr. Qualifizierte Mitwirkung. Vorlage präsenter Beweismittel. Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit. Bedeutung der Angelegenheit. Mahngebühr. Prozesskostenhilfe. Wert des Beschwerdegegenstandes. Unbezifferter Klageantrag
Orientierungssatz
1. Eine Erledigungsgebühr nach Nrn. 1005, 1002 VV RVG für die Mitwirkung an der Erledigung eines isolierten Vorverfahrens durch Abhilfebescheid kann vom Rechtsanwalt nur beansprucht werden, wenn der Anwalt eine über die Einlegung und Begründung des Widerspruchs hinausgehende besondere Tätigkeit entfaltet hat.
2. Die unaufgeforderte Vorlage präsenter Beweismittel wird mit der Geschäftsgebühr abgegolten. Der Ansatz einer Erledigungsgebühr ist u. a. erst dann gerechtfertigt, wenn ein Rechtsanwalt die Beweismittel neu beschafft und diese dann im Vorverfahren beibringt.
3. Die Mittelgebühr für die Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 VV RVG beträgt bei einem Gebührenrahmen von 50.- bis 640.- €. 345 €. .
4. Bei einem weit unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit, einer gerade noch durchschnittlichen Schwierigkeit der Rechtssache, einer unterdurchschnittlichen Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen und dessen unterdurchschnittlichen Einkommensverhältnissen ist der Ansatz des Doppelten der Mindestgebühr, somit der Betrag von 100.- €. angemessen.
Normenkette
RVG § 14 Abs. 1, § 3; RVG VV Nrn. 1002, 1005, 2302; SGG § 73a Abs. 1 S. 1, § 144 Abs. 1 S. 1 Nr. 1; ZPO § 114; SGB X §§ 63, 21 Abs. 2 S. 2; SGB I § 60 Abs. 1 S. 1 Nrn. 1, 3
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Düsseldorf vom 04.02.2016 wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Streitig ist die Höhe der Kostenerstattung für ein Widerspruchsverfahren.
Mit Schreiben an den Kläger vom 02.10.2015 (Az.:0800/4555510) mahnte die Beklagte offene Forderungen in Höhe von 63.512,35 EUR an und setzte eine Mahngebühr i.H.v. 150,00 EUR fest. Der Mahnung war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, wonach gegen die Festsetzung der Mahngebühren Widerspruch eingelegt werden könne. Der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, legte mit Schreiben vom 16.10.2015 gegen die Festsetzung der Mahngebühren Widerspruch ein und gab an, die Forderung des Jobcenters Düsseldorf existiere nicht mehr, da der Erstattungsbescheid vom 02.04.2013 mit Abhilfebescheid vom 23.08.2013 aufgehoben worden sei. Dem Widerspruchsschreiben war eine Kopie des Abhilfebescheides beigefügt. Durch Bescheid vom 02.11.2015 hob die Beklagte die Festsetzung der Mahngebühren auf und übernahm die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten wurde als notwendig anerkannt. Daraufhin machte der Prozessbevollmächtigte mit Kostennote vom 06.11.2015 anwaltliche Gebühren i.H. v. 1.118,60 EUR geltend. Die Gebühren setzten sich wie folgt zusammen:
Geschäftsgebühr Nr. 2302 VV RVG 460,00 EUR
Einigungsgebühr Nr. 1006,1005,1000 VV RVG 460,00 EUR
Post- und Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR
Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 178,60 EUR.
Durch Bescheid vom 11.11.2015 setzte die Beklagte die erstattungsfähigen Kosten des Widerspruchsverfahrens unter Zugrundelegung einer Geschäftsgebühr von 100,00 EUR nach Nr. 2302 VV RVG auf 142,80 EUR fest.
Hiergegen legte der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Widerspruch ein, den die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17.11.2015 zurückwies. Am 30.11.2015 hat der Kläger, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, Klage mit dem Begehren erhoben, ihm weitere Kosten des Vorverfahrens vom 16.10.2015 zu erstatten. Er hat vorgetragen, hinsichtlich der Höhe der Erstattungsforderung und der Höhe der Mahngebühr handele es sich um keinen Standardfall. Sein Prozessbevollmächtigter sei auch nicht für die Abwehr der Erstattungsforderung aus dem Bescheid vom 02.04.2013 mandatiert gewesen. Deshalb habe sein Prozessbevollmächtigter mit seinen bisherigen Bevollmächtigten Kontakt aufnehmen müssen, um den Sachverhalt zu klären. Die geltend gemachte Geschäftsgebühr sei nicht unbillig. Die Mittelgebühr von 345,00 EUR werde mit dem streitgegenständlichen Kostenantrag bereits unterschritten. Der wirtschaftliche Wert der Zahlungsaufforderung verbunden mit der kostenpflichtigen Zwangsvollstreckung sei nicht unterdurchschnittlich. Selbst wenn der "Streitwert" allein auf die Höhe der Mahngebühr beschränkt werde, erweise sich die von der Beklagten vorgenommene Herabsetzung der Geschäftsgebühr nicht als sachgerecht. Die Vorlage des gegen die ursprüngliche Forderung eingelegten Rechtsmittels stelle eine qualifizierte Mitwirkungshandlung i.S.v. Nr. 1005 VV RVG dar. Denn es hätte der ordnungsgemäß handelnden Behörde oblegen, diese Unterlagen vom Gläubiger anzufordern. Dieser Arbeitsaufwand sei der Beklagten erspart geblieben. Das Bundessozialgericht habe ausdrücklich festgestellt, dass die unaufgef...