Entscheidungsstichwort (Thema)
Voraussetzungen einer Bewilligung von Einstiegsgeld durch den Grundsicherungsträger zur Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit
Orientierungssatz
1. Zur Bewilligung von Einstiegsgeld nach § 16b Abs. 1 S. 1 SGB 2 müssen kumulativ die Tatbestandsmerkmale der Erforderlichkeit zur Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt und die Überwindung der Hilfebedürftigkeit durch die Aufnahme der Erwerbstätigkeit vorliegen.
2. Eine Förderung mittels Einstiegsgeld ist ausgeschlossen, wenn die angestrebte Tätigkeit keine berechtigte Chance erkennen lässt, die Hilfebedürftigkeit des Antragstellers zu beenden.
3. Voraussetzung ist, dass eine Eingliederung in den allgemeinen Arbeitsmarkt mit weniger kostspieligen Mitteln als die Bewilligung des Einstiegsgeldes nicht erreicht werden kann (BSG Urteil vom 05.08.2015, B 4 AS 46/14 R).
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 29.06.2020 wird zurückgewiesen.
Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen ein Urteil des Sozialgerichts Köln, das ihre Klage auf Einstiegsgeld wegen der Aufnahme einer selbständigen Tätigkeit als Qi-Gong- Lehrerin abgewiesen hat.
Die am 00.00.1973 geborene Klägerin ist gelernte Fachkrankenschwester/ Intensivpflegerin. Sie bezieht vom Beklagten seit Jahren Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Nach psychiatrischer Untersuchung der Klägerin hat Frau Dr. D I, Fachärztin für Psychiatrie, bei der Klägerin im Juni 2013 ein Leistungsvermögen von täglich weniger als drei Stunden festgestellt. Das Gutachten hat die Klägerin am 17.07.2013 mit ihrer Fallmanagerin besprochen. Am 11.02.2014 teilte die Klägerin ihrer Fallmanagerin mit, dass sie sich mit den Möglichkeiten einer Existenzgründung befasse. Im Rahmen eines Kontakts in der Arbeitsvermittlung am 10.04.2014 wollte die Klägerin, die zu diesem Zeitpunkt seit einem Jahr als erwerbsunfähig eingestuft war, nicht angeben, welche gesundheitlichen Einschränkungen sie hat. Im Rahmen der Potentialanalyse wurde ihr Profil von "Unterstützungsprofil" auf "Stabilisierungsprofil" geändert. In der Folgezeit reichte die Klägerin regelmäßig Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigungen beim Beklagten ein, so am 06.05.2014, 06.08.2014, 29.08.2014, 25.09.2014 und 28.10.2014.
Am 09.12.2014 schloss die Klägerin mit dem Beklagten eine bis zum 09.06.2015 gültige Eingliederungsvereinbarung ab. Darin verpflichtete sich der Beklagte, die Klägerin bei einer eventuellen Existenzgründung zu unterstützen. Die Klägerin äußerte den Wunsch, sich selbständig zu machen im Bereich Online-Marketing und eventuell Qi-Gong, was aufgrund der als schlecht einzuschätzenden Chancen einen entsprechenden Arbeitsplatz im Angestelltenverhältnis zu finden, zu unterstützen sei. In der Folgezeit reichte die Klägerin am 18.12.2014 und 20.02.2015 Folgearbeitsunfähigkeitsbescheinigungen ein.
Mit E-Mail vom 31.03.2015 teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie ab dem 01.04.2015 einer selbständigen Tätigkeit als Qi-Gong-Lehrerin nachgehen werde und reichte eine entsprechende Gewerbeanmeldung ein.
Am 25.06.2015 wurde die Klägerin von dem Beklagten über eine mögliche Förderung durch die Beschaffung von Sachgütern beraten. Daneben fand auf Kosten des Beklagten ein Coaching durch die Deutsche Angestellten Akademie GmbH statt, die Sachinvestitionen iHv 1.500 EUR für erforderlich hielt. Mit Bescheid vom 21.01.2016 bewilligte der Beklagte der Klägerin einen Sachmittelzuschuss gemäß § 16c SGB II über 1.500 EUR für Flyer, Visitenkarten, Internetseite, Laptop, Büromöbel, Sonstiges. Die Klägerin, die am 11.09.2016 ihre Ausbildung zum Qi-Gong-Kursleiterin erfolgreich abschloss, beantragte beim Beklagten am 26.07.2017 die Bewilligung von Einstiegsgeld für die seit dem 01.04.2015 ausgeübte Tätigkeit als Qi-Gong-Lehrerin.
Mit Bescheid vom 11.10.2017 lehnte der Beklagte den Antrag der Klägerin ab. Es fehle an einem rechtzeitigen Antrag nach § 37 SGB II. Einstiegsgeld könne zudem nur für eine unmittelbar bevorstehende Erwerbstätigkeit gewährt werden. Für die schon seit April 2015 praktizierte Tätigkeit als Qi-Gong-Lehrerin komme daher eine Unterstützung durch Einstiegsgeld nicht in Betracht.
Hiergegen hat die Klägerin Widerspruch eingelegt, den sie mit Schreiben vom 15.12.2017 damit begründete, sie habe nach den Grundsätzen des sozialrechtlichen Herstellungsanspruchs einen Anspruch auf Einstiegsgeld. Mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2018 wies der Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Die Klägerin habe keinen rechtzeitigen Antrag gestellt. Zudem habe die Klägerin die Tätigkeit unabhängig von der Möglichkeit Einstiegsgeld zu bekommen, begonnen. Das Einstiegsgeld sei daher zur Eingliederung der Klägerin nicht erforderlich gewesen.
Hiergegen hat die Klägerin am 08.06.2018 Klage eingereicht und ihr Vorbringen wiederholt und vertieft.
Die Klägerin hat beantragt,
den Beklagten unte...